PDF wird generiert
Bitte warten!

Georgia Krawiec - "Archivalien. Naturalien. Chemikalien."

vom 12. September bis 28. November 2019

Fotogramme brauchen keine Kamera. Sie brauchen Zeit und Licht, um zu einem einmaligen Kunstwerk zu werden. Georgia Krawiec lässt das Licht malen – allerdings in ihrer Regie. „Ich arrangiere zwischen einem Fotopapier und einer Glasscheibe Stillleben aus Pflanzen oder alltäglichen Dingen“, erklärt die Fotokünstlerin. Diese Collagen hängt sie gerahmt an eine Wand. Und dann wartet sie ab, manchmal Monate, meistens sogar Jahre. Krawiecs Werke sind „lebendige Bilder“, das Licht zaubert Blüten zart wie Schmetterlingsflügel auf das silberhaltige Fotopapier, verwandelt einen Strauß Silbertaler in ein Luftballon-Gebilde oder umrahmt Geldscheine mit einem Strahlenkranz. Am Ende des Prozesses wird das belichtete Bild nicht digital am Computer bearbeitet, sondern analog, „intuitiv mit der Schere“, es entstehen einmalige Papierschnitte. Erfunden hat Krawiec das Fotogramm nicht, aber sie hat eine Technik gefunden, mit der man es trotz massiver Überbelichtung entwickeln kann, ohne dass das Bild völlig schwarz wird.  Für das Auge des Betrachters bleibt oft unklar, was hier das Positiv, was das Negativ ist. Diese vermeintliche Wahrnehmungsstörung, ausgelöst durch unser analysegesteuertes Sehbedürfnis, findet bei längerem Betrachten den Weg unter die Oberfläche in Tieferes, Intimeres: Reines Empfinden und sinnliches Erleben…

Wer sich innerhalb der Ausstellung auf diese zarte Welt voller Feinheiten einlässt, wird in einen Mikrokosmos neuer Formen und gedämpfter Farben entführt, in dem Alltagsutensilien, etwa Knöpfe, Pflanzen, Nudeln, Teebeutel, Kassetten oder Schlüssel, die Protagonisten sind. Deren Körper verbinden sich auf dem Fotopapier meist als Scherenschnitte zu Neuem. Verglichen mit ihrem bisherigen Schaffen bleibt sich Krawiec treu in der Entschleunigung, im Verharren und Innehalten. Dabei ist das Zulassen des Zufalls hier Teil des experimentellen Ansatzes, durch den sich scheinbar Schwarz-Weißes bei genauerem Betrachten als pastellhaft Gelbes, Braunes, Ockerfarbenes, Rötliches oder gar Violettes entpuppt. Mut zum Experiment, verbunden mit der Liebe zum Detail und zum Manuellen sind in Krawiec‘ Arbeiten die treibenden Kräfte.

Inspiriert wurde die Künstlerin von der Subjektiven Fotografie, die in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts zu einem regen künstlerischen Austausch bedeutender Fotografen Polens und Deutschlands führte: Otto Steinert, Bronis?aw Schlabs und Jerzy Lewczy?ski. Georgia Krawiec’ Serie trägt den polnischen Titel antyKONCEPCYJNE, das im Polnischen mehrere Bedeutungen aufweist: Einerseits heißt es antikonzeptionell und konzeptfrei, andererseits aber verhütend. Insofern arbeitet die Künstlerin nach dem Motto, das Bronis?aw Schlabs in einem Brief 1958 an seinen Kollegen Jerzy Lewczy?ski formuliert: „Fürchte dich vor dem Fotografischen, für die Kunstfotografie ist dies die größte Gefahr. Man muss es umformen, die uns umgebenden Dinge sollen uns nur Material sein, um daraus etwas zu bauen."

Pate der in Zusammenarbeit der Art Galerie Siegen veranstalteten Ausstellung, ist Dr. Horst Heinol-Heikkinen, Vorstandsmitglied der Asentics GmbH & Co. KG, Siegen.

Die Vernissage der Ausstellung in der IHK Galerie (Koblenzer Str. 121, 57072 Siegen) findet am Donnerstag, 12. September 2019, um 19:00 Uhr, statt. Eine Einführung in Werk und Wirken der Fotokünstlerin gibt an diesem Abend Dr. Jochen Dietrich.

VITA

Georgia Krawiec wurde 1972 in Kedzierzyn-Kozle, Polen, geboren. 1988 emigrierte sie nach Westdeutschland und studierte von 1992 bis 2000 an der Universität Siegen Kunst mit dem Schwerpunkt Fotografie bei Jürgen Königs. 2001 erhielt sie beim von der IHK ausgeschriebenen Künstlerwettbewerb „Gesichter“  für ihr Lochkamera-Fotoporträt „Der Mathematiker“ den ersten Preis. Nach Abschluss ihrer Tätigkeit am Museum für Gegenwartskunst Siegen ging sie Ende 2001 nach Warschau, um dort 13 Jahre lang künstlerisch-experimentell zu wirken. Seit fünf Jahren lebt sie in Berlin, wo sie sich von ihrem Atelier an der Zitadelle Spandau aus, umgeben von Havel und Spree, zunehmend Naturthemen widmet. Doch die Themen Identität, Entschleunigung, Vergänglichkeit sowie Überwachung der Gesellschaft stehen nach wie vor im Zentrum der Arbeiten von  Georgia Krawiec. Dabei ist das Manuelle an der Fotografie für sie von zentraler Bedeutung. Denn ganz gleich, ob Bau von Lochkameras und Fotoobjekten, Eingreifen in den Entwicklungsprozess in der Dunkelkammer oder Experimentieren mit jahrelangen Belichtungszeiten: Immer steht bei ihr die unmittelbare physische Erfahrung mit der analogen Fotografie im Mittelpunkt.

Seit 1995 arbeitet die Künstlerin mit Lochkamera, Edeldruckverfahren und experimenteller Fotografie und ist seit 2007 Vorstandsmitglied des Polnischen Lochkamerafotografiefestivals OFFO. Neben ihrer künstlerischen Arbeit lehrt Krawiec an der Hochschule für Fotografie des Verbandes der Polnischen Fotokünstler ZPAF sowie an der Europäischen Akademie für Fotografie in Warschau. Krawiec schreibt Fachartikel zur Fotografie (u.a. für das Goethe-Institut, für Kwartalnik Fotografia und Fototapeta), hält Vorträge (u.a. im Nationalmuseum in Warschau, in der Kunsthalle Galeria Zach?ta in Warschau, in der Neuen Schule für Fotografie und in der Deutschen Gesellschaft in Berlin sowie für PhotoWerkBerlin), leitet Fotografieworkshops mit Flüchtlingen in der C/O Berlin und im ZAK – Zentrum für aktuelle Kunst Berlin und war Mitglied verschiedener Jurys (u.a. des Fotofernsehswettbewerbs „Dolina Kreatywna“ des Polnischen Staatlichen Fernsehens TVP2 sowie Mitglied der Kommission Portfolio-Review bei The Art Institute of Boston, USA).

Seit 2016 ist sie Künstlerin der Galerie ep.contemporary in Berlin. Ihre experimentellen Fotoarbeiten, Papierschnitte, Objekte und Installationen präsentiert sie seit 1993 weltweit in Galerien und Museen und ist in internationalen Sammlungen vertreten.

Seiten-ID: 3090

Seiten-ID3090

Ansprechpartner

Dr. Christine Tretow

Tel: 0271 3302-306
Fax: 0271 3302400
E-Mail

Zum Seitenanfang springen