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Nr. 051: „Projekt im Konsens weiterentwickeln“ - Wall-Center zentrales Thema bei IHK-Wirtschaftsgespräch in Attendorn

25.06.2020 | „Wir werden bei der Neukonzeption des Wall-Centers auf eine breite Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger setzen und hierfür das richtige Format finden. Dies wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte der Fall sein“, erklärte Bürgermeister Christian Pospischil beim IHK-Wirtschaftsgespräch in Attendorn. Mehr als 80 Vertreter aus Wirtschaft und Politik waren in die Stadthalle gekommen, um sich mit der Stadtspitze zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen auszutauschen. Erwartungsgemäß standen Handelsfragen und hier besonders die weitere Entwicklung des Wall-Centers im Mittelpunkt der Diskussion. 

Deutlich wurde der Wunsch einiger Anwesender, bei den weiteren Schritten auch Alternativen zu der derzeit verfolgten Ansiedlung eines großflächigen Vollsortimenters, eines weiteren Drogeriemarktes sowie einer Apotheke und eines Textil-Discounters in den Blick zu nehmen und dabei auch das Gespräch mit möglichen weiteren Investoren zu suchen. Dies umso mehr, als der Bürgermeister die Frage von Walter Viegener (Viega Holding GmbH & Co. KG), ob verbindliche Absichtserklärungen gegenüber dem Investor getroffen wurden, mit einem klaren „Nein“ beantwortete. Die nachteiligen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das bisherige Beteiligungsverfahren und ein Grundstückskauf im Plangebiet machen derzeit eine Neuplanung erforderlich. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Wenn die Planungen ohnehin auf ‚Null‘ gesetzt werden und es keine Zusagen an den Investor gibt, wäre es doch zu kurz gesprungen, nur marginale Änderungen vorzunehmen. Ziel sollte sein, bestehende gesunde Strukturen nicht zu ersetzen, sondern zu ergänzen.“ Bürgermeister Pospischil gab dazu zu bedenken, dass sich der jetzige Investor bei einem wettbewerbsähnlichen Verfahren durchgesetzt habe und nicht ohne Weiteres Investoren, die sich gar nicht an diesem Verfahren beteiligt hätten, vorgezogen werden könnten.

Für Maik Rosenberg (aquatherm GmbH) sind die zahlreichen Einwendungen im Zuge des Beteiligungsverfahrens ein Beleg dafür, dass ganz viele Menschen offensichtlich bereit sind, sich in die Überlegungen einzubringen. „Das ist ungemein wertvoll und ein echtes Pfund!“ Die Stadtverwaltung hätte bei der Entwicklung der Innenstadt bislang stets großen Wert auf Beteiligung der Menschen gelegt. Hier sei vieles gut und richtig gemacht worden, lobte Rosenberg. „Mein großer Wunsch ist, dass diese Tradition hier fortgesetzt wird und bei solch weitreichenden Ansiedlungen wie dem Wall-Center die Interessen der Betroffenen aktiv aufgegriffen werden!“

Christian Pospischil zeigte Verständnis für das Anliegen, verwies aber auch auf den bestehenden politischen Auftrag für die vorliegende Planung, hinter die man dann zurück gehen müsse. In einer sachlichen Diskussion hatte der Bürgermeister zuvor noch einmal die positive Entwicklung der Innenstadt in den vergangenen fünf Jahren aufgezeigt. Die Stadt investiere weiter große Beträge in die Innenstadt, um die Rahmenbedingungen für den Einzelhandel zu verbessern. Dabei machte er deutlich, wie sich die Planungen für den Bereich Wasserstraße und das Wall-Center aus Sicht der Stadtverwaltung in die Innenstadtentwicklung einfügen. Mit der Ansiedlung großflächigen Einzelhandels am Bahnhofsvorplatz wolle man Kaufkraftabflüsse von rd. 15 Mio. € im Jahr allein in den Sortimenten Lebensmittel und Drogerieartikel verhindern. Die Lage im Zentralen Versorgungsbereich erlaube es den Besuchern zudem, den Weg in die Innenstadt anzutreten. 

Walter Viegener widersprach: „Die Besucher des Wall-Centers werden ihren Kofferraum vollladen und wieder wegfahren, ganz sicher aber nicht in die Innenstadt gehen, um weiter einzukaufen. Das zarte Pflänzchen der Hoffnung des vielfältigen Einzelhandels in der Innenstadt wird gefährdet.“ Christian Springob (Nicolai-Apotheke) sah dies ähnlich: „Der Kunde möchte mit den im Wall-Center vorgesehenen Sortimenten schnell fertig werden und sich nicht noch Zeit zum Bummeln in der Innenstadt nehmen. Wir brauchen Sortimente, die im näheren Umkreis niemand hat.“ Bürgermeister Pospischil verwies dagegen auf die bisherigen Erfahrungen mit der Ansiedlung des Allee-Centers, des Hanse-Hotels und des Kinos, die allesamt mehr Frequenz auch für den Bereich innerhalb der Wälle gebracht hätten. Das Wall-Center liege noch näher an der Innenstadt. Bezüglich der Sortimente seien zwar viele ergänzende Angebote wünschenswert. In der Realität könne man aber nur die Sortimente bedienen, für die es auch interessierte Anbieter gebe.

Der Attendorner Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwalt und Notar Sascha Koch (HTR) bezweifelte, dass die vorgesehenen Sortimente im prognostizierten Maß Kaufkraft binden. Die größten Abflüsse gebe es in den Randgebieten der Stadt. Von dort werde aber niemand für Produkte des täglichen Bedarfs, die er auch an seinem bisher gewohnten Einkaufsort außerhalb des Stadtgebietes vorfinde, das Wall-Center besuchen. „Die Verwaltung will mehr Auswahl bei bereits vorhandenen Sortimenten, um den Kaufkraftabfluss zu vermindern. Der Kunde nimmt aber den bequemsten Weg, um seinen täglichen Lebensbedarf zu decken!“

Bürgermeister Pospischil und Beigeordneter Graumann verwiesen demgegenüber auf die hohe Attraktivität der Attendorner Innenstadt, welche Besucher von weit her anlocke. Das Angebot mit nur je einem Anbieter im Bereich Vollsortimenter und Drogerieartikel sei jedoch so gering, dass viele Attendorner selbst zum Einkauf von Drogerieartikeln nach Olpe und Bamenohl auswichen. Attendorn müsse auch beim Angebot von kurzfristigen Bedarfen nachlegen, um Frequenz in der Stadt zu erzeugen und nicht von den Nachbarkommunen abgehängt zu werden.

Rainer Eiden (Atta Drogerie Willy Krapohl Nachf. KG) zeigte sich überzeugt, dass das Wall-Center den erwarteten Umsatz mache. Allerdings zu großem Teil auf Kosten des bestehenden Einzelhandels. Leitend könne nicht sein, Geschäftsaufgaben in Kauf zu nehmen, weil die neuen, großflächigen Geschäfte dies ausgleichen könnten: „Leerstände sind wahrscheinlich, zahlreiche Arbeitsplätze in der Innenstadt gehen verloren, ein Handelssterben ist zu erwarten.“ Dagegen verwies Bürgermeister Pospischil darauf, dass der bestehende Handel vor allem durch Untätigkeit gefährdet werde. „Der steigende Internet-Handel setzt den Handel vor Ort unter Druck. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns anstrengen, dass mehr Kaufkraft vor Ort gebunden wird. Wenn durch eine breitere Auswahl mehr Menschen nach Attendorn gezogen werden, profitiert nicht nur das Wall-Center, sondern die ganze Stadt. Natürlich setzen wir daneben auch die Förderung des inhabergeführten Einzelhandels fort.“ 

Die IHK selbst sieht den Standort für großflächigen Einzelhandel grundsätzlich als geeignet, äußert sich jedoch kritisch zu möglichen Auswirkungen auf den bestehenden Einzelhandel. IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer: „Insbesondere die prognostizierten Umsatzumverteilungsquoten sind für uns gravierend, weil sie einer Stärkung des Zentralen Versorgungsbereiches entgegenwirken.“ Bürgermeister Pospischil erklärte demgegenüber, dass gar nicht prognostiziert worden sei, inwieweit mehr Kunden durch das Wall-Center in Attendorn einkaufen würden. So sei es bei der bloß theoretischen Annahme geblieben, dass die Kaufkraft in Attendorn lediglich umverteilt würde. Für die Rechtsanwältin und Notarin Hedwig Holthoff-Pfeiffer sind die Ausmaße der Umverteilung „gigantisch“: „Wir sollten uns nicht mit Olpe messen, sondern den inhabergeführten Einzelhandel stärken!“ Baudezernent Graumann verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass im Innenstadtentwicklungskonzept von Anfang an das Ziel formuliert worden sei, großflächigen Einzelhandel anzusiedeln. „Unsere Stadt ist so eng bebaut, dass kaum eine Möglichkeit zur Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel besteht. Wenn wir die wenigen Chancen dazu nicht nutzen, schaden wir der Entwicklung der Stadt.“

Abschließend warb Klaus Gräbener dafür, die weiteren Schritte im Konsens zu unternehmen. „Je stärker kritische Stimmen eingebunden werden, desto breiter ist am Ende das Fundament. Es empfiehlt sich, die sichtbar ausgestreckten Hände zu ergreifen und das Vorhaben gemeinsam und nicht im Konflikt zu entwickeln und hierfür die Politik zu gewinnen.“ Schließlich zeigten die ausgesprochen positiven Strukturdaten, dass Attendorn eine kerngesunde Stadt sei: „Bei Umsätzen und Beschäftigung spielt die Musik im Kreis Olpe vor allem in Attendorn“, so Klaus Gräbener. Entsprechend weise die Stadt das höchste Gewerbesteueraufkommen im Kammerbezirk auf. Während es beim Breitbandausbau, wenngleich langsam, in die richtige Richtung geht, bereitet vor allem das Thema Gewerbeflächen in Attendorn große Sorgen. Im Fokus steht dabei nach wie vor das 26 Hektar umfassende Industriegebiet Fernholte im Eckenbachtal. Nach Rechtsstreitigkeiten und langwierigen Arbeiten an einem neuen Bebauungsplan hat die Stadt einen Antrag auf eine neue wasserrechtliche Genehmigung beim Kreis Olpe gestellt und ist optimistisch, die Genehmigung in Kürze zu bekommen.
 

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