PDF wird generiert
Bitte warten!

Nr. 026: "Wie Blei an den Füßen" IHK: Wettbewerbsfähigkeit geht ohne Abbau von Bürokratie verloren

10. April 2024 / „Europa ist für die heimische Wirtschaft nach wie vor enorm wichtig. Aber die Kraft des gemeinsamen Marktes droht mit der bürokratischen Regelungswut ausgebremst zu werden. Hier muss dringend gehandelt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken.“ Wenn es nach Walter Viegener, Präsident der IHK Siegen, geht, könnte die Stimmung unter den Unternehmen deutlich besser sein – gerade beim Thema Europa. „Angesichts extremer internationaler Herausforderungen brauchen wir mehr denn je, was uns die EU sichert: politische Stabilität, den gemeinsamen Währungsraum, einheitliche Normen und Standards sowie den Zugang zum europäischen Markt“. Auch in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe würden die meisten Im- und Exporte mit anderen EU-Staaten abgewickelt, betont der IHK-Präsident. Vier der fünf Länder, aus denen heimische Unternehmen importieren, gehören der EU an: Italien, Niederlande, Österreich und Polen. Ähnlich sieht es in gegenläufiger Richtung aus: Zu den fünf wichtigsten Exportländern gehören mit Österreich, den Niederlanden, Belgien und Frankreich alleine vier EU-Staaten. Die Vorteile der EU wüssten die Betriebe zu schätzen, viele profitierten davon, so Walter Viegener.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Beschäftigung spielt die EU im heimischen Wirtschaftsraum eine wichtige Rolle: „Beinahe jeder zweite Arbeitsplatz in der Industrie hängt bei uns am Export. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Industrie ist in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe alleine in den vergangenen 20 Jahren um mehr als drei Prozent gestiegen, während sie landesweit im selben Zeitraum um 17 Prozent sank“, erläutert IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. Sorgen hingegen bereite vielen Unternehmen, dass sich die Attraktivität der EU als Wirtschaftsstandort in den letzten Jahren offenkundig verschlechtert hat, insbesondere zu Lasten der Industrie. 

Eine aktuelle Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigt, dass die Wirtschaft den größten Handlungsbedarf für die EU bei der überbordenden Bürokratie sieht. „Wenn 95 Prozent der Unternehmen den Abbau von Bürokratie auf der Prioritätenliste ganz oben, noch vor den Themen Energieversorgung und Sicherheit verorten, spricht das Bände“, so Gräbener. Vor allem die vielfältigen Berichtspflichten hingen den Betrieben wie „Blei an den Füßen“. 1.600 Rechtspflichten müsse er berücksichtigen, berichtet etwa ein heimischer Maschinenbauer. Um kleinteilige Dokumentationspflichten zu erfüllen, müssten manche Betriebe längst zusätzliches Personal einstellen. 

Neue Regelungen in Endlosschleife
„Seien es die Lieferkettenrichtlinie oder die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Unternehmensfinanzierung: Was in gefühlter Endlosschleife an Regelungen politisch beschlossen wird, trifft die Betriebe vor Ort mit voller Wucht“, verdeutlicht der Hauptgeschäftsführer. In Deutschland tätige Unternehmen müssten heute fast 16 Prozent mehr bundesrechtlich verankerte Informationspflichten erfüllen als noch vor zehn Jahren. „Bürokratieabbau wird seit Jahren wortgewaltig gepredigt. Zu sehen ist davon bis heute viel zu wenig!“ Anfang 2018 beliefen sich die Bürokratiekosten aufgrund von Informationspflichten auf 50 Mrd. €, vier Jahre später seien es bereits 66,5 Mrd. € gewesen. 

Aber nicht nur die Informations- und Berichtspflichten, sondern auch komplexe Zulassungs- und Genehmigungsverfahren hemmten die Innovations- und Investitionsbereitschaft der Wirtschaft, betont Walter Viegener. „Wenn Verfahren für Ortsumgehungen oder Gewerbegebiete Jahrzehnte dauern, belasten sie die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen tonnenschwer. Trotz politischer Ankündigungen geht es hier nur mit Tippelschritten vorwärts.“ Der Präsident erinnert daran, dass nach zweijährigen Verhandlungen im November vergangenen Jahres der „Bund-Länder-Beschleunigungspakt“ beschlossen wurde. Über einhundert Maßnahmen sollten demnach dafür sorgen, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren in einem neuen „Deutschland-Tempo“ vorankommen. „Welche Bedeutung das für die heimischen Betriebe hat, wird bereits durch den Zustand der Brückenbauwerke schmerzhaft spürbar – nicht nur auf der A45, sondern auch im nachgelagerten Straßennetz!“ Umso enttäuschender sei, dass bislang erst mit elf der insgesamt 53 zentralen Gesetzesänderungen begonnen wurde, wie eine Auswertung der DIHK zeigt. 

„Wenn selbst das Beschleunigungspaket nur im Schneckentempo vorankommt, dürfte der Impuls für eine bessere Stimmung in der Wirtschaft bald auf der Strecke bleiben.“ Dann überwiege das Gefühl, dass es erneut beim Klein-klein bleibe und es komme zum Vertrauensverlust in die politische Handlungsfähigkeit. Der Effekt für eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit wäre auch hier schnell verpufft, befürchtet Klaus Gräbener. Um dem Verlust der Standortattraktivität entgegenzuwirken und die Potenziale des europäischen Marktes auszuschöpfen, brauche es eine Agenda für Wettbewerbsfähigkeit, die vor allem auf ernsthaften Bürokratieabbau setze. 

Seiten-ID: 4607

Seiten-ID4607

Ansprechpartner

Hans-Peter Langer

Tel: 0271 3302-313
Fax: 0271 3302400
E-Mail

Zum Seitenanfang springen