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Nr. 043: „Ausbildung 2024 – die betriebliche Perspektive“

19. Juni 2024/ Die IHK Siegen hat gefragt und 270 Ausbildungsbetriebe haben ausführlich geantwortet. Der stv. Vorsitzende des Berufsbildungsausschusses Dirk Pöppel (Regupol Holding GmbH), André Arenz, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Olpe sowie DGB Kreisvorsitzender im Kreis Olpe und Gewerkschaftsvertreter im Ausschuss, und Sabine Bechheim, Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK), stellten jetzt in der IHK-Geschäftsstelle Olpe die Ergebnisse vor. Ausbildung ist demnach (nicht nur) nach Aussage dieser 270 befragten Betriebe nach wie vor eine wichtige Grundlage des Unternehmenserfolgs. Diese Unternehmen strengen sich erheblich an, um Auszubildende zu gewinnen und zu halten, um sie erfolgreich zur Abschlussprüfung zu bringen und sie danach als Facharbeiter bzw. -angestellte zu übernehmen. „Aufgrund eines signifikanten Rückgangs der qualifizierten Bewerbungen bleiben allerdings etliche Ausbildungsplätze unbesetzt. Und wenn die Ausbildung startet, ist der Aufwand ungleich höher als früher“, konstatiert Dirk Pöppel die Ergebnisse. 154 von 270 Ausbildungsbetrieben berichten über einen signifikanten Rückgang an Bewerbungen im gewerblich-technischen Bereich, im kaufmännischen Bereich sind es 144. André Arenz ergänzt: „Digitalisierung und Transformation bringen es mit sich, dass manche Ausbildungsinhalte komplexer werden. Umso wichtiger ist eine gute Vorbereitung der zukünftigen Auszubildenden durch die Schulen.“

Allerdings fehlt es nach Aussage der Betriebe etlichen Auszubildenden an grundlegenden Voraussetzungen für einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss, allen Bemühungen der Ausbilderinnen und Ausbilder zum Trotz. Über 70 % der Betriebe bemängeln die Mathematikkenntnisse der Auszubildenden, 67 % gehen davon aus, dass die Deutschkenntnisse schlechter sind als früher. Hier spiegelt sich vermutlich eine stärkere Heterogenität der Schulabgänger wider. Ein Drittel der Betriebe moniert die schlechteren Fremdsprachenkenntnisse, obwohl viele der aktuellen Auszubildenden ja bereits in der 1. Klasse mit Englischunterricht begonnen haben und obwohl im Schnitt die Jugendlichen später und mit höheren Abschlüssen in die Ausbildung gehen. Einige Betriebe schildern, dass sie seit Jahrzehnten zum ersten Mal einen Ausbildungsabbruch oder einen Prüfungsdurchfaller erleben mussten – das kratzt durchaus an der „Ausbilderehre“.

Das erschreckende Bild wird ergänzt wird durch ein betriebliches Urteil über das aktuelle Schulsystem, das man nur als „glatte Fünf“ bezeichnen kann. Hier läuft aus Sicht der Unternehmen einiges grundlegend falsch. Mehr als drei Viertel aller Betriebe bevorzugen Schulabgänger mit dem Mittleren Schulabschluss (Haupt-/Realschulabschluss). Die Schulpolitik, getrieben von Eltern- und Schülerwünschen, setzt immer stärker und mancherorts ausschließlich auf Gesamtschulen und Gymnasien. Oft genug wählen die Jugendlichen selbst bei eher schlechtem Notenschnitt aus Prestigegründen den längeren Schulbesuch, der ihnen außer einer zusätzlichen „Warteschleife“ wenig einbringt. „Die Ausbildungsunternehmen haben deutlich gesagt: Hier in der Region macht man Karriere mit Lehre, ggf. plus Fortbildung. Das Studium ist in weniger als 3 % für ein Fortkommen in den befragten Unternehmen erforderlich“, macht Sabine Bechheim die Chancen für Fachkräfte mit Berufsausbildung deutlich. „Das Ungleichgewicht von betrieblicher Realität und dem Bild in den Köpfen ist offenkundig durch noch so viele Appelle nicht aus der Welt zu schaffen.“

Damit Ausbildung gelingen kann, sind die Betriebe auf gut qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber angewiesen. Deshalb kommt den Schulen eine zentrale Rolle zu. Neben den erforderlichen Kompetenzen in unterschiedlichen Disziplinen müssen sie auch auf die Auswahl von Berufswegen vorbereiten. Dieses Ziel wird heute aus Sicht der Betriebe in viel zu vielen Fällen verfehlt. „Insbesondere an Gymnasien sollte die Berufliche Bildung mit dualer Ausbildung und höherer Berufsbildung gleichgewichtiger Bestandteil neben der Studienorientierung werden“, wirbt Dirk Pöppel für mehr Gleichberechtigung der verschiedenen Wege in den Beruf. André Arenz bestätigt: „Es gibt auch Gymnasien, welche eine sehr gute und neutrale Berufsorientierung für alle Wege ins Berufsleben machen. Dies sollte Beispiel für alle Schulen sein, nicht schwerpunktmäßig in Richtung Studium zu orientieren.“ Die Gleichwertigkeit der Bildungssysteme werde so ebenso konterkariert wie die Anforderungen an Auszubildende oder die Tatsache, dass tatsächlich über ein Drittel der Auszubildenden den Weg über das Abitur/Fachabitur geht – und das sind keineswegs nur die Schulabgänger mit den schlechteren Noten.

„Uns ist daran gelegen, die Themen der Berufsausbildung, Fortbildung und Personalentwicklung gemeinsam mit den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern im Berufsbildungsausschuss voranzutreiben“, erläutert Sabine Bechheim den Grund für die gemeinsame Präsentation der Studie. Dazu zähle auch, Initiative zu zeigen und gemeinsam daran zu arbeiten, die Situation zu verbessern. Mangelnde Schulbildung werde in etlichen Betrieben mit Werksunterricht ausgeglichen. In vielen Betrieben wäre darüber hinaus eine sozialpädagogische Betreuung notwendig, um die Defizite in personalen und sozialen Kompetenzen aufzuarbeiten. Dazu mache die IHK Siegen Angebote. Sabine Bechheim: „All dieses Engagement darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es politisch dringend und zwingend erforderlich ist zu handeln, wenn das duale System der Ausbildung, um das die Welt uns beneidet, gefestigt werden soll.“

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Ansprechpartner

Sabine Bechheim

Tel: 0271 3302-200
Fax: 0271 3302400
E-Mail

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