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„Kassengesetz“: Betrug bekämpfen, aber Bürokratie eindämmen

Siegen/Olpe. Die Kassenführung nachvollziehbar machen und Steuerhinterziehung erschweren – das ist das Ziel des sogenannten „Kassengesetzes“. Die damit einhergehenden dokumentarischen Pflichten belasten die Betriebe allerdings zunehmend. Das zeigt eine bundesweite Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter knapp 1.000 Firmen. Auch in Siegen-Wittgenstein und Olpe stößt die Umsetzung des Gesetzes auf Kritik. „Der Einzelhandel leidet ohnehin besonders unter der gegenwärtigen Unsicherheit bei den Konsumenten. Umso schneller sollten Maßnahmen zum Bürokratieabbau umgesetzt werden. Bessere Stimmung gibt es nur bei konkreter Entlastung. Da sollte man auch und gerade beim ,Kassengesetz‘ genau hinschauen“, betont Wolfgang Keller, Vorsitzender des Einzelhandelsausschusses der IHK Siegen. 

Hintergrund: Nach und nach sind seit 2016 zahlreiche Vorschriften in Kraft getreten, die für eine korrekte sowie vollständige, zeitgerechte und manipulationssichere Erfassung von Kassenvorgängen sorgen sollen. Ein Beispiel: die Pflicht, bei jedem Kauf einen Beleg auszugeben. Elektronische Kassensysteme müssen mit einer zertifizierten Technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgestattet sein, die bewirkt, dass alle Eingaben unveränderlich gespeichert und jederzeit nachvollziehbar sind. „Diese Pflicht ist für mich persönlich überflüssig“, erklärt Henrik Enders (Maiworm Mode KG, Olpe). In seinen Bekleidungsgeschäften würden ohnehin jeder Wareneingang und jeder Verkauf dokumentiert. Außerdem sieht der Unternehmer ein konkretes Umsetzungsproblem: „In der Branche scheitert das Ganze oftmals schon an Internetausfällen im Laden. Deshalb sollte aus meiner Sicht gewährleistet werden, dass die Systeme auch offline zuverlässig funktionieren.“ Das zeigte auch die DIHK-Befragung: 36 % der Betriebe haben schon TSE-Ausfälle verzeichnet, bei 40 % dauerten diese bis zu einen Tag lang. Enders ergänzt, dass die Kosten für die TSE nicht unerheblich seien.

Seit Anfang des Jahres müssen alle elektronischen Kassensysteme online über eine Schnittstelle wie etwa das Elster-Portal beim Finanzamt gemeldet werden. Die Finanzverwaltung ist zudem zur unangemeldeten Überprüfung des Kassensystems in den Geschäftsräumen berechtigt („Kassennachschau“). In der DIHK-Befragung gaben mehr als 50 % der Unternehmen an, dass sie aufgrund des „Kassengesetzes“ neue Geräte anschaffen mussten, weil die bisherigen Systeme technisch nicht aufrüstbar waren.

Ein weiteres Ergebnis: Neben den Kosten, die die verpflichtende Belegausgabe mit sich bringt, werden auch Ressourcen verschwendet. Denn immerhin 73 % der Betriebe setzen auf einen Papierausdruck. „Gerade bei kleinen Beträgen wünschen Kunden oft gar keinen ausgedruckten Kassenbon, sie werfen ihn oft noch im Geschäft weg“, betont Sonja Riedel, Handelsreferentin der IHK Siegen. Für das Ziel, Kassenmanipulationen zu bekämpfen, sei ein Bon auch gar nicht erforderlich, bekräftigt Wolfgang Keller. „Prüfer des Finanzamtes können bei der Kontrolle der Kassensysteme jederzeit anonymisierte Käufe vornehmen und im Rahmen einer unangemeldeten Kassennachschau die Kassensysteme vor Ort überprüfen.“

Die IHK-Organisation hat nun Vorschläge erarbeitet, wie sich die Ziele des Gesetzes besser erreichen lassen: Die TSE-Pflicht solle nur dort gelten, wo risikobehaftete Sachverhalte vorliegen. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Streichung der Belegausgabepflicht solle möglichst schnell umgesetzt werden. Rasch zu klären seien die noch immer bestehenden Rechtsunsicherheiten zum elektronischen Meldeverfahren für Kassen.

Explizit spricht sich die DIHK dafür aus, in der Praxis vor allem kleinere Betriebe zu entlasten, die aufgrund begrenzter personeller Kapazitäten ohnehin schon sehr stark von ausufernder Bürokratie gebeutelt seien. Diese Unternehmen sollten demnach auch weiterhin eine manuelle Kasse ohne technische Geräte führen können, denn es sei nach wie vor nicht erwiesen, dass sie anfälliger für Betrug seien. In diesen Fällen mit geringeren Umsätzen sollten Plausibilitätskontrollen der von den Betrieben eingereichten Steuererklärungen und Stichproben der Finanzämter reichen, um ein eventuelles Fehlverhalten zu identifizieren.

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