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Nr. 078: Barrierefreiheit eine Hürde für kleine Onlinehändler: Bis Mitte 2025 müssen größere E-Commerce-Anbieter ihre Websites barrierefrei umrüsten

18. November 2022 / „Auch wenn die Händler noch bis Mitte 2025 Zeit haben, so drängt die Zeit dennoch“, mahnt IHK-Vizepräsident Jost Schneider. Was er damit meint: Bis zum 28. Juni 2025 müssen größere Onlinehändler ihre Websites barrierefrei umgerüstet haben. Und das ist mit einigem Aufwand verbunden.

Zugrunde liegen der EU-Richtlinie die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung (2006), der European Accessibility Act (EU-Richtlinie 2019/882) sowie das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Demnach sollen Menschen mit und ohne Behinderung eine von Menschen gestaltete Umwelt gleichermaßen nutzen können. „Dass die Richtlinie wichtig ist, steht außer Frage“, betont Jost Schneider. Schließlich seien rund 7,9 Mio. Menschen allein in Deutschland auf ein barrierefreies Internet angewiesen. „Das sind fast 10 %!“ Es könnte aber sein, dass kleinere Händler mit Onlineshops hier ebenso betroffen sein werden.

Denn zunächst gilt die Richtline nur für Onlineshops von Unternehmen mit zehn oder mehr Mitarbeitern oder mit einem Jahresumsatz von mehr als 2 Mio. €. „Da sich aber die Ausführung der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und der noch darüber hinaus gehenden ‚Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung‘ (BITV 2.0) unter anderem auch positiv auf die Auffindbarkeit von Suchmaschinen auswirkt, könnten Unternehmen unterhalb dieser Schwelle ihr Ranking bei Google und Co. verlieren“, zeigt IHK-Handelsreferent Marco Butz auf. „Woher soll eine Suchmaschine wissen, ob ein Onlinehändler fünf oder 50 Mitarbeiter hat oder mehr oder weniger als 2 Mio. € Umsatz macht?“

Barrierefrei gestaltet werden müssen Produkte wie Computer, Tablets und Smartphones, aber auch Geld- und Fahrausweisautomaten, sogar Fernsehgeräte mit Internetzugang, zählt Marco Butz auf. Auch Dienstleistungen wie Telefondienste, E-Books, Apps oder Personenbeförderungsdienste sind auf der Liste zu finden. „Ab dem Stichtag müssen sich laut der BITV 2.0 alle Bedienelemente auf einer Ebene befinden. Screenreader müssen die Seite vorlesen können. Darüber hinaus muss es eine weitere Version in ‚Leichter Sprache‘ geben.“ Mehr noch: Der barrierefreie Onlineshop müsse ohne visuelle Eindrücke genauso gut nutzbar sein wie mit visuellen Eindrücken. Er müsse zusätzlich ausschließlich mit der Tastatur genauso zu bedienen sein wie mit der Maus.

Deutsche Vorgaben gehen erneut über EU-Richtlinie hinaus

„Einen bestehenden Online-Shop kann man barrierefrei gestalten, wenn man sich an einige Tipps hält“, hat sich Jost Schneider für sein eigenes Unternehmen bereits auf den Weg gemacht. So sollte man passende Icons verwenden, um die Nutzer leicht verständlich durch den Shop zu führen. Oder es gelte, starke Kontraste zu nutzen. „Schwache Kontraste können von älteren, sehbehinderten oder farbenblinden Menschen nur schwer oder gar nicht wahrgenommen werden.“ Oder man sollte die Schriftart und Schriftgröße richtig wählen und keine verschnörkelten oder zu kleine Schriftarten nutzen. Jost Schneider: „Zunächst sollten die betroffenen Händlerinnen und Händler ihren individuellen Handlungsbedarf identifizieren, indem sie die BITV-Prüfschritte mit denen ihres Online-Shops vergleichen.“ Nach dieser ersten Testphase sollten sie selbst aktiv werden oder sich eine geeignete Agentur suchen. Erst danach erfolgt der BITV-Test mit einer zweiten Testphase und der Prüfung.

„Alle Webshops in Europa, die der EU-Richtlinie 2019/882 unterliegen, müssen ab dem 28. Juni 2025 insgesamt 60 WCAG-Prüfschritte auf Benutzerfreundlichkeit bestehen können“, erläutert der IHK-Vizepräsident. „In Deutschland geht man hierüber hinaus: Deutsche Webshops haben laut der Verordnung BITV 2.0 sogar 92 Prüfschritte zu meistern. Wieder einmal wird eine EU-Vorschrift hierzulande in ihrer Umsetzung verkompliziert – allen politischen Ankündigungen zur Entbürokratisierung zum Trotz!“ Dies sei umso ärgerlicher, da bei Nichterfüllung Klagen und Bußgelder drohten, erläutert Jost Schneider. Wer sich bei den ersten Schritten unsicher sei, könne sich an die IHK wenden.

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