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Dr. Uwe Wintersohl: „Unterwegs“ in der Kunst

Text: Brigitte Wambsganß, Foto: Rolf Kluge (KünstlerBund Südsauerland e.V.)

„Unterwegs – komm wir gehen querfeldein! Acrylmalerei, Druckgrafik, Assemblagen und Skulpturen von Uwe Wintersohl“ heißt die Ausstellung, die die Industrie- und Handelskammer Siegen erstmals gemeinsam mit dem KünstlerBund Südsauerland e.V. in der IHK Galerie präsentiert. Zu sehen sind trotz des romantischen Titels aber keine Bilder von idyllischen Landschaften. Der Bergneustädter Künstler lädt vom 16. Juli bis 24. September zu einer Wanderung durch sein vielfältiges Schaffen ein.

Dr. Uwe Wintersohl  führt in sein Atelier in seinem Bergneustädter Haus. Es geht eine Treppe hinunter in einen hellen Raum. Große Fenster geben den Blick auf die Terrasse frei. Überall Kunst – an den Wänden, auf den Tischen und dem Boden. „Unterwegs zu sein, bedeutet für mich die Erarbeitung verschiedener Techniken, die experimentelle Freude, Neues zu entwickeln und zu erproben, neue Kombinationen auszutesten und nach neuen Ausdrucksformen zu suchen“, erklärt er den Titel seiner Ausstellung. Der Künstler war viele Jahre in Bergneustadt als Facharzt für Allgemeinmedizin und qualifizierter Palliativarzt tätig. Vor zwei Jahren hat er seine Praxis an einen Nachfolger übergeben. Seitdem engagiert er sich im Team der „Spezialisierten ambulanten Palliativ-Versorgung (SAPV)“ für die Region Bergneustadt. Der Beruf, die Nähe zu den Menschen, die Kenntnis von deren Verletzlichkeit, aber auch deren Stärke und Überlebenswillen spiegeln sich in vielen seiner Werke wider. Impulse bezieht er aber auch aus der Natur. Wenn er „unterwegs“ ist, sammelt er alles, was seine künstlerische Phantasie anregt – bizarre Äste, aber auch verrostete Weidezaunnägel, Glasscherben oder Drahtstücke: „Ich habe eine große Sammlung von Fundstücken.“

Schon als Schüler interessierte sich Uwe Wintersohl für die Fotografie. Später begeisterte er sich viele Jahre für den Holzschnitt. Der Arztberuf verordnete ihm allerdings lange Zeit eine Kunst-Pause. Mitte der 80er Jahre entwickelte sich dann sein Interesse für zeitgenössische Kunst. Er bildete sich autodidaktisch weiter in Druckverfahren und anderen künstlerischen Techniken, besuchte Kurse für keramische Gestaltung, Papierschöpfen und Holzgestaltung. „Um die Jahrtausendwende entstand dann der Wunsch, einen Ausgleich zum Beruf zu finden.“ Seitdem arbeitet und experimentiert er mit unterschiedlichen Techniken. Im Druckgrafikbereich gehören dazu ein- und mehrfarbige Holzschnitte sowie Monotypien – eine Technik, bei der er die Farbe direkt auf eine Glasplatte aufträgt und per Hand druckt. Jedes Blatt ist ein ästhetisch reizvolles Original. Wintersohls künstlerisches Spektrum beinhaltet aber auch Skulpturen, Assemblagen (dreidimensionale Materialbilder) und abstrakte Acrylmalerei. Er ist offen für alle Kunstrichtungen: „Ich fühle mich frei, gerade weil ich Autodidakt bin.“

Holz ist für Uwe Wintersohl ein ganz besonderer Stoff. Er nutzt ihn nicht nur für Holzschnitte, sondern auch für seine meist kleinformatigen Skulpturen. Sein ungewöhnliches Handwerkszeug: eine Motorsäge. Damit bearbeitet er handliche Holzblöcke, unterteilt sie in Winkel und Flächen. Oft schneidet er mit dem Sägeblatt filigrane Muster hinein – Dreiecke, Rauten und Spalten. Auch aus selbst gespaltetem Brennholz macht er Kunst. In Abfallstücken entdeckt er „wunderschöne Strukturen“. Zwei zarte, wellige Gebilde mit Kettensägespuren auf der Oberfläche kombiniert er zum Beispiel zu einer Assemblage: Er platziert eines an den oberen und das Gegenüber an den unteren Bildrand, quasi als Himmel und Eisberg. Der ironische Titel lautet „Wolken über Grönland“: „Es ist viel Phantasie und Spontaneität dabei“, betont er. Manche Skulpturen stellen Engel dar, keine niedlichen „Putten“, sondern Charaktere, die – wie manche Menschen – trotz ihrer Verwundungen Lebenskraft ausstrahlen. Der Künstler zeigt die offenen, verletzten Strukturen des gespaltenen Holzes. Mit Feuer geschwärzte Ränder verstärken den Eindruck von geschundenen Körpern. Als Köpfe verwendet er unter anderem „Bucheneier“, die er bei seinen Waldspaziergängen von den Bäumen abpflückt. Geschaffen hat er die Engelplastiken für thematische Ausstellungen.

Uwe Wintersohl verarbeitet Materialien jeder Art: „Ich liebe die Jahresringe im Holz, die Schönheit und Formvollendung eines verrosteten Weidezaunnagels, aber auch die Schwere von Blei, die Leichtigkeit einer Feder und die Urwüchsigkeit von gespaltenem Holz.“ Aus all diesen Stoffen gestaltet er Skulpturen, die zum Nachdenken anregen: So versenkt er in Holzplatten verrostete Weidezaunnägel. Sie wirken wie stilisierte menschliche Körper – mal gebeugt, mal aufrecht. Der Effekt ist verblüffend: Eine Gruppe von Nägeln scheint miteinander zu kommunizieren. Andere „Körper“ verbeugen sich tief vor einer aufgereckten, offensichtlich mächtigeren Person. Uwe Wintersohl: „Die gebogenen Nägel sind Ausdruck von Persönlichkeiten – von gebeugten Menschen, die von Krankheit und Verlust geprägt sind, aber den ,aufrechten Gang‘ nicht verloren haben.“

Der Sammler Wintersohl lässt sich von seinen Fundstücken aus Holz und Metall inspirieren. Äste aus bleichem Schwemmholz kombiniert er mit Orgelpfeifen zu originellen „Duetten“.  Urformen aus der Natur gibt er mit seinen Assemblagen einen neuen Sinn: Mit einem Stein als Gesicht bekommt eine einfache Astgabel menschliche Züge. Auf eine dünne Platte aus grauem Walzblei setzt er Fundstücke wie Schwemmholz, einen alten Stechzirkel oder eine zerbeulte Getränkedose. „Jedes Bild erzählt eine Geschichte.“ Zunächst liegen die Gegenstände lose auf dem Bleiblech am Boden. Sie werden verschoben, ausgetauscht oder umgestellt. Wintersohl probiert die Wirkung aus: „Ästhetik ist mir wichtig.“ Dann fixiert er alles auf dem Blech. „Ich muss mit dem Ergebnis völlig zufrieden sein. Sonst geht es nicht.“

Sein Faible für starke Farben lebt der Künstler in seinen abstrakten Gemälden aus: „Ich liebe die Vitalität und Farbigkeit der abstrakten Malerei.“ Feurige Farbwirbel und -bögen saugen den Blick ins Innere des Bildes. Ruhige gedeckte Farben bilden die Umgebung. Die Kompositionen verleiten die Betrachter dazu, sich ins Zentrum zu versenken. Die wilden, vielschichtigen Farben trägt Wintersohl intuitiv und frei mit dem Spachtel auf: „Die Bilder sollen Bewegung ausdrücken.“ Seine kleinformatigen Acrylbilder beschränken sich auf wenige Farben, verraten aber die Freude am freien, spontanen Malen. Manchmal zerreißt Wintersohl seine eigenen Acrylbilder – aber nur, um sie in Collagen zu verwandeln: Er verwebt die Papierstreifen zu Geflechten oder fügt sie zu geometrischen Figuren zusammen.

Das abstrakte Werk „FarbFeldWege“ verdeutlicht perfekt den Titel der Ausstellung in der IHK Galerie. Durch die voneinander abgegrenzten Farbflächen der sechs Bilder ziehen sich dominante „Wege“. Uwe Wintersohl hängt die Tafeln so, dass sich die einzelnen „Wege“ aneinander fügen. Zu einem weiteren „Tafelbild“ kombiniert der Künstler sein abstraktes Werk „Vier Jahreszeiten“. Die jeweiligen Farben symbolisieren den Wandel in der Natur – vom Grün des Frühlings über das warme Blau des Sommers und das bunte Farbenspiel des Herbstes bis zum eisigen Grau des Winters.

Eine ganz eigene Technik hat Uwe Wintersohl für seine abstrakten Bilder entwickelt: Er verbindet expressiv farbige Malerei mit einfarbiger Druckgrafik. Auf einen Hintergrund aus kräftigen, abgestuften Acrylfarben – etwa blau und grün – setzt er bildfüllende schwarze Holzschnitte. Oft folgen deren gewundene Linien den Strukturen eines Baumrings. Damit lenkt er den Blick in den farbigen Untergrund: „Ich möchte Tiefe ins Bild bringen.“

Dr. Uwe Wintersohl kann seit der Jahrtausendwende auf viele Gemeinschafts- und Einzelausstellungen zurückblicken – nicht nur in der Region Bergneustadt, sondern auch in Galerien in München, Paris und Bonn. Er gehört der Künstlervereinigung EngelsArt in Engelskirchen sowie dem KünstlerBund Südsauerland e.V. (KBS) an. Die Patenschaft für die Ausstellung in der IHK Galerie hat Lea Hoberg, Gründerin und Geschäftsführerin der Schokoladenmanufaktur „Xocólea“ in Olpe, übernommen.

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Patrick Kohlberger

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