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Industriebrache in Wenden-Rothemühle: Neue Perspektiven für besonderen Standort

Text: Nicole Williams, Fotos: Gemeinde Wenden

Der Industriestandort Wenden-Rothemühle war über viele Jahrzehnte hinweg ein Synonym für Beschäftigung und Wohlstand. Bereits 1911 entstand vor Ort die Bergfeldsche Röhrenfabrik, die jedoch Mitte der 20er Jahre liquidieren musste. Dr. Herbert Brandt und Dr. Arthur Kritzler kauften 1936 das Gelände mit den leerstehenden Gebäuden und gründeten die Firma Apparatebau – Brandt & Co. 

Von Beginn an beschäftigten sich die Ingenieure und Facharbeiter des Unternehmens mit der Planung und Herstellung von Wärmetauschern und Luftrauchgaskanälen für Dampferzeuger. Der Vorzeigebetrieb beschäftigte zu seinen besten Zeiten mehr als 600 Mitarbeiter und war somit der größte Arbeitgeber in der Gemeinde Wenden. Zum Vergleich: In Rothemühle selbst wohnen „nur“ 800 Menschen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich der Spruch „Wenn Apparatebau hustet, hat ganz Rothemühle Schnupfen“ bis heute in den Köpfen vieler Menschen eingebrannt hat.

Das Firmengelände in zentraler Lage von Rothemühle umfasst eine Größe von rund 11 Hektar und gliedert sich in drei Teile auf: 1 Hektar Mitarbeiter-Parkplätze sowie jeweils 5 Hektar Betriebsgelände und Landschaftsraum im südlichen Bereich. Ab 1999 war die Firma ein Teil der Hamon-Gruppe aus Belgien, aber bereits 2003 folgte der Verkauf an die Balcke-Dürr GmbH mit Sitz in Ratingen. 2007 ersteigerte die Balcke Dürr GmbH das Werksgelände an der Wildenburger Straße. Im Juni 2016 wurde allerdings das Ende des Werkstandorts besiegelt. Die Intention war, das 2015 von der Mutares AG übernommene Unternehmen abzuwickeln. Der Investor aus München garantierte zwar den Fortbestand des Unternehmens Balcke-Dürr. In Rothemühle schlossen sich 2017 jedoch die Werkstore für immer.

Die Eigentümerin des Apparate-Werks signalisierte Interesse daran, gemeinsam mit der Gemeinde Wenden eine Lösung für die Zukunft des Standortes zu finden. Sie bot die Flächen zum Kauf an. Allerdings erwartete man eine schnelle Entscheidung. Rat und Verwaltung der Kommune reagierten daraufhin rasch. Für knapp 2,5 Mio. € erwarb die Gemeinde Wenden im Februar 2018 diese besondere Industriebrache. Sie verhinderte damit für die Bürger in Rothemühle tatsächlich Schlimmeres, wie Bürgermeister Bernd Clemens betont: „Wir haben das Gelände gekauft, weil ein größerer Investor dort ein Betonsteinwerk errichten wollte. Das wäre eine Katastrophe für Rothemühle gewesen. Es hätte viel Dreck, Gestank, Qualm und Lärm gegeben.“

Mit dem Ankauf des Geländes ergab sich für die Kommune die einmalige Gelegenheit, den aufstrebenden Standort im oberen Biggetal zu stärken, selbstbestimmt weiterzuentwickeln und nur unter eigenen Bedingungen weiterzuverkaufen. Ab dem Beginn der Kaufplanungen nahm die Gemeinde Wenden mit dem Flächenpool NRW Profis mit ins Boot und beauftragte das Vermittlerkonsortium mit einer Konzepterstellung, da schnell klar war, dass die Brachflächenentwicklung in dieser Größenordnung nicht zum Kerngeschäft des hiesigen Rathauses gehörte.

Das Konzept von Flächenpool NRW sieht vor, auf dem ehemaligen Mitarbeiter-Parkplatz 15 bis 18 Wohnbauplätze zu erstellen. Drei der ortsbildprägenden Firmengebäude sollen als Entree der Fläche erhalten bleiben. In einer weiteren Halle, so ist vorgesehen, sollen künftig Kulturangebote und eine Gastronomie mit Terrasse einziehen. Die Freilegung des Bigge-Flusslaufs und der Bau eines neuen Radweges über eine alte Bahntrasse, die früher zum Werk führte, sind ebenfalls geplant. In weiteren Hallen und im ehemaligen Bürogebäude haben die Planer Dienstleister und kleinteiliges Gewerbe vorgesehen: Vom Handwerker, der sein Lager vergrößern möchte, über Ingenieurbüros bis zum Spin-off der Universität Siegen oder einer anderen Hochschule ist alles denk- und machbar. Architektonisch gilt es, die ortsbildprägende Architektur mit modernen Elementen zu verbinden.

Das Interesse an dem Industriestandort war und ist groß. In den vergangenen anderthalb Jahren sind unterschiedlichste Unternehmen an die Wirtschaftsförderung der Kommune herangetreten.

„Von der Anfrage zur Einlagerung von Feuerwerkskörpern in einem zum Gelände gehörenden Stollen über Bandprobenräume und Anfragen von Logistikunternehmen bis zur Umnutzung des Verwaltungsgebäudes als Hotel – hier war wirklich alles dabei“, berichtet Wendens Wirtschaftsförderin Nicole Williams. Jedes Miet- und Kaufgesuch haben die Verantwortlichen sorgfältig geprüft und via Gremienbeschluss darüber entschieden. So gelang es, diverse Flächen kurzfristig zeitlich begrenzt an Interessenten abzugeben. Auf langfristige Vermietungen hat die Kommune jedoch verzichtet, um sich auf der Suche nach dem „großen Ganzen“ nicht selbst im Wege zu stehen. Auch ungewöhnlichen Mietgesuchen hat man entsprochen: So feierten zwei regionale Unternehmen ihr Weihnachts- bzw. Sommerfest auf dem Gelände. Auch für Übungen der Polizei und der Feuerwehr sowie der DRK-Rettungshundestaffel zeigte sich die Kommune offen.

Die Gemeinde Wenden selbst lud im Mai 2019 zum Event „Backstein – Beats & Bilder“ auf das Areal ein. Die Besucher durften sich über ein Rockkonzert, einen Open-Air-Gottesdienst unter einer überdachten Werksfläche, Führungen über das Werksgelände sowie eine Ausstellung im größten Industriegebäude freuen. In der weitläufigen, farblich spannend illuminierten Halle 1 konnten die Besucher mehr als 250 Bilder und eine Diaschau betrachten, die das Leben und Arbeiten rund um die Werkshallen in den vergangenen Jahrzehnten veranschaulichten.

„Jeder Topf findet seinen Deckel, und bis dahin gibt es Frischhaltefolie“ – so könnte sich der Status quo bei den Vermarktungsanstrengungen der Gemeinde Wenden bildlich umschreiben lassen. „Die weitere Nutzung will gut und nachhaltig geplant sein“, erklärt Wendens Bürgermeister Bernd Clemens. „Und wir besitzen die Freiheit, über ausreichend Zeit zu verfügen, um die Nutzung des Areals zum Wohle der Kommune und natürlich auch der Bürgerschaft zu planen und den für uns passenden ,Deckel‘ zu finden.“ Dabei sei man immer für Impulse und Ideen von außen dankbar, um den historischen Standort wieder zu dem zu machen, was er über viele Jahrzehnte gewesen sei.

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