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Mangelnde Wertschätzung im Beruf: Ignoriert, unterschätzt, verkannt

Text: Katja Sponholz, Fotos: Heiner Morgenthal

Was haben eine Altenpflegerin, ein Busfahrer und eine Reinigungskraft gemeinsam? Ohne sie geht nichts in unserer Lebens- und Arbeitswelt. Und zugleich fehlt es in der Gesellschaft oft an der gebührenden Anerkennung ihrer Tätigkeit. Dabei ist diese – nicht nur im Job, sondern auch im Privatleben – ein zentrales Bedürfnis der Menschen. Sie kann enorme Kräfte freisetzen und motivierend wirken.

Viel Arbeit, aber oft nur wenig Wertschätzung: Diese Gleichung gilt in vielen Branchen, unter anderem im Gesundheitswesen. Zwar belegen Kranken- und Altenpfleger hinter Feuerwehrleuten und Ärzten den dritten Platz unter den angesehensten Berufsgruppen, doch diese allgemeine hohe Meinung kommt bei den betreffenden Fachkräften offenbar nicht an. „Sie scheint im Alltag unterzugehen“, bemerkt der Verband der Privaten Krankenversicherung. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey unter 500 repräsentativ ausgewählten Pflege­kräften im April 2019 hatten vier von fünf Betroffenen das Gefühl, dass ihre Tätigkeit zu wenig Anerkennung erfahre.

„Gerade in Bezug auf die den beruflich Pflegenden entgegengebrachte Wertschätzung besteht in den Institutionen des Gesundheitswesens in Deutschland noch Optimierungsbedarf“, unterstreicht Uwe Mayenschein, Leiter des Bildungsinstituts für Gesundheitsberufe Südwestfalen in Siegen (BiGS), das für die DRK-Kinderklinik, das Kreisklinikum und die Marien Gesellschaft Siegen zuständig ist. Schließlich bediene die Berufsgruppe Pflege als tragende Säule einen Zentralwert unserer Gesellschaft. Moderne Betriebe benötigten Mitarbeiter, die Lust darauf haben, sich einzubringen. Wenn man sich erfolgreiche Unternehmen im Dienstleistungssektor oder im produktiven Bereich anschaue, seien diese fast durch die Bank so aufgestellt, dass sie sich durch ein hohes Maß an Mitarbeiterorientierung auszeichnen. „In unseren Pflegeeinrichtungen sollten wir uns diesen positiven Effekt zunutze machen und aufräumen mit überholten Denkstilen und Glaubenssätzen“, ist Mayenschein überzeugt.

Und mit den Veränderungen müsse man bereits in der Ausbildung beginnen. „Es fängt schon damit an, dass man die Menschen in den Ausbildungsbetrieben herzlich begrüßt, dass man danach eine angemessene Einarbeitung umsetzt und sie während der Ausbildung professionell anleitet. Das ist erst einmal das A und O.“ Gerade bei jungen Leuten müsse die Tätigkeit auch im Einklang mit ihrer Erlebnissituation und ihrer Freizeit stehen: „Da müssen wir sie abholen. Es gilt, das Arbeitgebermarketing nach vorne zu bringen und ihnen entsprechende Möglichkeiten im Unternehmen zu bieten.“ Ansätze, wie es gelingen kann, sich im Betrieb wohlzufühlen, gebe es genug: von flachen Hierarchien, Karrierechancen und der Verantwortungsübertragung über Wissensmanagement und weniger Fremdbestimmung bis zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten sowie zum Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement. „Es gibt ganz viele Stellschrauben“, hält der der Diplom-Berufspädagoge fest.

Am BiGS, wo sich die Zahl der Ausbildungsplätze im April von 350 auf 425 erweitern wird, versuche man deshalb, mit positivem Beispiel voranzugehen. „Ich habe ein sehr großes Interesse daran, dass die Schüler hier mitbestimmen können“, sagt der Leiter. So sei man dabei, eine Schülermitverwaltung zu etablieren, um jungen Menschen die Möglichkeit zu offerieren, Entscheidungen und Entwicklungen beeinflussen zu können. Außerdem bemühe man sich, für eine gute Aufenthaltsqualität im Institut zu sorgen und eine „anständige Beziehung“ zwischen Kursleitung und Schülern zu erzeugen. „Wir wollen immer ein offenes Ohr für die Schüler haben, auch dann, wenn sie Probleme an uns richten“, unterstreicht Mayenschein.

Zwar sei grundsätzlich auch die Bezahlung für diese verantwortungsvolle und anstrengende Tätigkeit zu verbessern, aber dies sei seiner Erfahrung nach nicht das Hauptkriterium, um den Beruf attraktiv zu machen. Gerade die Arbeit in der Pflege sei eine sehr sinnstiftende Arbeit, und viele Pflegekräfte ergriffen einen solchen Beruf aus Überzeugung. Allerdings führten die Arbeitsbedingungen dazu, dass die meisten Mitarbeiter nur rund zehn Jahre in ihrem Job blieben.

Dabei hätten Studien ergeben, dass aus Schülersicht ein gutes Betriebsklima zu den wichtigsten Arbeitsplatzbedingungen des zukünftigen Arbeitgebers zähle. Weitere Kriterien seien die Möglichkeit, in seinem Wunschbereich eingesetzt zu werden, die Chance, einen unbefristeten Vollzeit-Job zu bekommen und das Vorhandensein von Aufstiegschancen. Um dem Beruf mehr Anerkennung zu verleihen, sei es erforderlich, Pflegekräften – etwa wie in Skandinavien oder England – mehr Verantwortung zu übertragen. „Da muss auch die Politik Mitverantwortung übernehmen und die entsprechenden Weichen stellen“, betont Mayenschein. Vielleicht gelinge es so irgendwann, bei der Rangliste der beliebtesten Berufe nach oben zu klettern. Es gibt eine Hitliste, die das Berufsverhalten junger Erwachsener aufzeigt. „Keiner der Pflegekernberufe taucht innerhalb der ersten 25 Plätze auf. Da ist also noch Luft nach oben.“

Auch Karin Blechert weiß, was ihr Team und sie leisten. Aber sie ist sich auch darüber im Klaren, dass es für die Kundschaft bisweilen angenehmer wäre, wenn sie sich „unsichtbar im Raum bewegen“ und möglichst nicht auffallen würden. Die 35-Jährige ist als Reinigungskraft schon seit 21 Jahren für die Eichenauer Gebäudeservice GmbH & Co. KG in Siegen tätig. Sie arbeitet in Büros und Kinos, in Metall-Unternehmen und Banken. „Natürlich gibt es Betriebe, in denen man gern gesehen ist, auch wenn man zur Vordertür hineinkommt“, berichtet sie. „Aber viele Mitarbeiter in anderen Firmen bitten mich eindringlich, den Lieferanteneingang zu benutzen.“ Denn obgleich jeder den Service des Reinigungsdienstes braucht – nicht alle wollen das auch zugeben. „Zu Beginn hat mich das wirklich gekränkt“, gibt Blechert zu. „Heute weiß ich: Irgendwann wird es einen Tag geben, an dem eine Reinigung nicht möglich ist. Spätestens dann kommt das große Erwachen.“ Oftmals seien es in solchen Fällen dieselben Kunden, die sich gleich beschwerten und Reklamationen losschickten. Im Laufe der Jahre hat Karin Blechert gelernt, mit der fehlenden Anerkennung der Auftraggeber umzugehen: „Ich lasse das nicht mehr so nah an mich herankommen, denn ich weiß, welche Verantwortung ich habe.“ Innerhalb ihres Unternehmens erfahre sie großen Respekt: „Die Möglichkeit, als Teamleitung eingesetzt zu werden, ist definitiv eine Chance für mich“, betont sie. Ebenso wie die Perspektive, auf Wunsch sogar eine Objektleitung übernehmen zu können. Und noch etwas habe ihr gezeigt, dass sie Wertschätzung erfahre: Als sie 2016 die Diagnose über eine Herzerkrankung erhielt, habe das Unternehmen ihren 450-€-Job auf einen Vollzeitvertrag umgestellt.

Dass es jedoch an der externen Anerkennung des Berufs fehlt, spürt Eichenauer-Geschäftsführer Patrick Ebel immer wieder: „Wie viele Handwerksbetriebe merken wir es in erster Linie an der Tatsache, dass wir keine Auszubildenden mehr finden. Das ist ein riesiges Problem“, konstatiert der 38-Jährige. Mehr als 2700 Mitarbeiter hat das Unternehmen inzwischen, davon 1300 am Hauptstandort Siegen. NRW bildet zwar den Schwerpunkt bei den Einsatzgebieten, mittlerweile ist der Betrieb jedoch bundesweit tätig. Für den wirtschaftlichen Erfolg bildeten die Mitarbeiter die Basis, ordnet Ebel ein.

Natürlich habe man auch manchmal eine unterschiedliche Auffassung, aber entscheidend sei, „vernünftig und auf Augenhöhe“ miteinander umzugehen. Warum aber ist es offenbar für andere, mitunter auch für Kunden, die despektierlich von der „Putze“ sprechen, so schwierig, eine angemessene Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten zu zeigen? „Das ist eine gute Frage“, erklärt der Geschäftsführer nachdenklich. Betroffen von diesem Phänomen seien seiner Ansicht nach jedenfalls beide Berufsgruppen in seinem Unternehmen, also die Fachkraft für Reinigung sowie der Glas- und Gebäudereiniger, der einen dreijährigen Ausbildungsberuf darstellt. Aber das, unterstreicht der Diplom-Wirtschaftsjurist, sei ganz vielen offenbar gar nicht bewusst. Bei Aktionen mit den Arbeitsämtern und der Landesinnung habe man daher Vorträge gehalten, um auch diejenigen, die die Jobs vermitteln, darüber aufzuklären, was die Arbeitskräfte leisten und welche vielfältigen Aufstiegschancen sie besitzen. Die Branche und der Dienstleistungssektor wüchsen jedes Jahr sehr stark. Fachkräfte, die verantwortungsvolle Tätigkeiten übernehmen, könnten heute Löhne erzielen, die sich so manche Akademiker wünschten.

Doch die Unwissenheit und die Vorurteile seien beträchtlich. Bei jungen Leuten, bedauert der Chef, gelte ein Job in dieser Branche offenbar als „uncool“. Das Nachwuchsproblem verschärfe sich zudem dadurch, dass es immer weniger junge Menschen gebe – und die könnten sich die Branche dann aussuchen. „Handwerk zählt sowieso nicht so“, beschreibt Ebel. „Sehr viele Schulabgänger möchten studieren und sind für uns damit verloren. Die klassischen Absolventen der Hauptschule gibt es dann nicht mehr in dem Maße.“

Hauptanteile an der mangelnden Wertschätzung der Berufe sieht der Unternehmer sowohl auf Seiten der Politik als auch ganz besonders im Bereich der Medien. „Wenn diese über die Einführung des Mindestlohns berichtet haben, bildeten sie in vielen Fällen eine Reinigungskraft ab“, kritisiert er. „Das war damals schon falsch und ist es heute noch immer.“ Schubladendenken wie dieses sorge dafür, dass sich das Bild verzerre. „Und kaum einer macht sich die Mühe, mal hinter die Berichte und Schlagzeilen zu schauen.“

Händeringend suche er daher Personal. Am liebsten würde er jeder einzelnen Kraft 20 € pro Stunde geben. „Nur zahlt mir das kein Kunde“, gibt er zu bedenken. „Und auch das hat etwas mit Wertschätzung zu tun.“

Vielleicht liege es auch ein bisschen daran, dass die Reinigungskräfte in der Regel im Verborgenen arbeiteten, sprich dann, wenn die Kunden respektive die Nutzer im Büro oder Einzelhandel nicht da seien. „Wenn sie ihre Arbeit gut gemacht haben, ist niemand da, der sich bei ihnen bedankt. Aber wehe, wenn sie irgendwo einen Papierkorb nicht geleert haben.“ In diesen Situationen seien zum Teil gar umgehende finanzielle Einbußen für die Reinigungskräfte an der Tagesordnung. „Die Tendenz geht immer mehr zum Pauschalabzug“, bemängelt Ebel. „Das steht in keinem Verhältnis zu dem, was die Mitarbeiter leisten.“

Große Verantwortung in ihrem Job haben sicherlich auch jene Menschen, die sich Tag für Tag durch den dichtesten Verkehr quälen und dabei nicht nur hoch konzentriert, sondern gleichzeitig auch noch gelassen sein müssen: die Busfahrer. „Die Leute schauen mich oft nicht einmal an. Wenn man sie fragen würde, wüssten sie gar nicht, wer da hinter dem Steuer sitzt“, schilderte es einmal ein Betroffener („Aus dem Alltag eines Busfahrers“, Spiegel-Online, 18.1.2018). Doch die Missachtung geht inzwischen weit über das Ignorieren hinaus. „Wie sich die Menschen inzwischen im Bus benehmen, auch dem Fahrer gegenüber, ist eines der Top-Themen bei unseren Fahrerschulungen“, schildert Gerhard Bettermann, Betriebsleiter bei den Verkehrsbetrieben Westfalen-Süd (VWS), einem Unternehmen der WERNGroup. „Das muss ich gar nicht auf die Agenda schreiben, das kommt immer.“

Verbale Ausfälligkeiten seien leider nichts Ungewöhnliches. Mitunter klagten die Mitarbeiter gar über rassistische Beschimpfungen. „Eigentlich müsste man derartige Vorfälle mit einer Anzeige quittieren.“ Doch vor diesem Schritt schreckten viele zurück – vor allem, weil so etwas zu zeitaufwendig sei und der Busverkehr darunter leiden würde. „Wir sagen unseren Fahrern zwar immer, dass sie deeskalierend wirken sollen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt“, betont Bettermann. Denn die Beschäftigten müssten sich nicht beleidigen lassen. „Wir unterstützen sie ganz gezielt, wenn sie konkret werden und zum Beispiel Anzeige erstatten oder Fahrverbote aussprechen möchten.“

Jedoch litten nicht nur die Busfahrer unter der Respektlosigkeit, stellt der Betriebsleiter fest. Und dann erzählt er von einem Vorfall im Schulbus, in dem ein Grundschüler seine Mitschülerinnen mit Worten beleidigt habe, die „wirklich unterirdisch“ gewesen seien. Die entsprechende Meldung an die Eltern habe jedoch eine ungewöhnliche Resonanz hervorgerufen. „Also wenn mein Vater erfahren hätte, dass ich mich als Sohn so benommen hätte, wäre das schon mit einer gewissen Reaktion einhergegangen“, unterstreicht der 62-Jährige. In diesem Fall jedoch habe der Vater wissen wollen, wer der Busfahrer war, um ihn selbst anzuzeigen. „Da läuft doch etwas schief in der Gesellschaft“, sagt Bettermann nachdenklich.

Dass überall im Land Busfahrer fehlen und ein großes Nachwuchsproblem besteht, führt der Betriebsleiter jedoch nicht darauf zurück, dass dieses Verhalten junge Leute abschrecken würde. „Der Grund ist eher, dass der Job inzwischen sehr anstrengend geworden ist.“ Heute seien die Tourenplanungen enger, die Straßen voller und die Herausforderungen größer. „Das kann nicht jeder leisten“, erklärt Bettermann. „Wir haben Buszüge, die bis zu 23 Meter lang sind. Und wir haben schließlich nicht Sand geladen, sondern befördern Menschen.“
Auch finanzielle Aspekte spielten eine Rolle. Denn während früher viele von der Bundeswehr gekommen seien und dort ihren Führerschein Klasse 2 gemacht hätten, müsse man heute für einen Omnibus-Führerschein rund 10.000 € einplanen. „Da überlegt man sich dann, ob man das Geld investieren möchte, ohne zu wissen, ob man überhaupt in dem Beruf arbeiten will.“ In Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen unterstütze man den Berufswunsch jedoch, und in vielen Fällen gebe es schließlich auch eine Lösung, ohne dass der Betroffene das monetäre Risiko allein tragen müsse.

Auch die Politik hat sich die Suche nach neuen Busfahrern auf die Fahne geschrieben: „SiWi sucht Typen wie dich – Werde Busfahrer in Siegen-Wittgenstein“ lautet das Motto einer Werbekampagne, die Landrat Andreas Müller initiiert hat. Mit im Boot sind die VWS als Konzessionär für den Busverkehr im heimischen IHK-Bezirk sowie elf weitere heimische Busunternehmen, die im Linienverkehr tätig sind. Auch die Bundesagentur für Arbeit und das Jobcenter Siegen-Wittgenstein beteiligen sich an der Aktion: Sie verfügen über zahlreiche Instrumente und Fördermöglichkeiten, um Interessierte umzuschulen bzw. für den Beruf des Busfahrers zu qualifizieren.

Bei der WERNGroup gibt es derzeit rund 270 Fahrer. Mit angemieteten Kräften und Aushilfen kommt man auf 580 Mitarbeiter. „Übergriffe, die über das Verbale hinausgehen, haben wir Gott sei Dank sehr selten“, erläutert Bettermann. Deshalb habe man – über die jährlichen Schulungen hinaus – auch noch keine speziellen Deeskalations-Trainings angeboten. „Aber es wird sicher der nächste Schritt sein, dass man sich darum kümmern muss – je nachdem, wo sie zum Einsatz kommen.“

Doch es sind nicht nur Busfahrer und Reinigungs- oder Pflegekräfte, die unter mangelnder Wertschätzung an ihrem Arbeitsplatz leiden. So kam Anfang 2018 eine Umfrage unter Nutzern des Karriere-Portals „Monster“ zu dem Ergebnis, dass sich nur 11 % der deutschen Befragten in ihrem Job ausreichend wertgeschätzt fühlen. Dabei sei eine Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehung, die auf gegenseitiger Anerkennung basiere, der Grundstein für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Nach Meinung von Personal-Coaches ist Lob wichtig, weil sich systematische Belohnung positiv auf Leistung, Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter auswirke. Umgekehrt könne mangelnde Wertschätzung Stress und Gereiztheit zur Folge haben.

Laut Monster-Umfrage äußerte sich die Wertschätzung im Unternehmen bei den Befragten zu 16 % durch ein öffentliches Lob und zu 10 % durch eine Beförderung. Boni oder andere finanzielle Extra-Zuwendungen gab es in 26 % der Betriebe. Zum Nachdenken anregen sollte allerdings noch ein anderes Ergebnis aus der Befragung: 43 % gaben an, nicht zu wissen, wie sich Wertschätzung in ihrem Betrieb zeige.

Reinigungskraft Karin Blechert weiß jedoch ganz genau, wie sich Anerkennung ihrer Tätigkeit widerspiegelt – nicht nur dann, wenn Ansprechpartner aus den Reinigungsobjekten bei der Firma Eichenauer anrufen, um Lob zu äußern oder sich für gute Arbeit zu bedanken. „Für mich ist es auch eine Wertschätzung, wenn sich die Leute Zeit nehmen, um sich die Reinigung erklären zu lassen“, erklärt sie. „Und natürlich auch, wenn sie mit meinem Team sprechen und nicht einfach den Kopf nach unten drehen.“ Das interne Arbeitsklima verbessere sich dadurch ebenfalls. „Dann stellt sich derjenige nicht höher“, beschreibt die 35-Jährige. „Und dann merke ich für mich: Ich habe alles richtiggemacht.“

Drei Fragen an Juniorprofessorin Dr. Kerstin Ettl: "Betriebsklima hat zentralen Einfluss"

Dr. Kerstin Ettl (37) ist als Juniorprofessorin für unternehmerische Vielfalt und Management kleiner und mittlerer Unternehmen an der Universität Siegen tätig. Sie erforscht unter anderem geschlechtsbezogene Aspekte im Berufsleben und im Management. In diesem Kontext koordiniert sie derzeit auch ein Projekt, das sich mit Frauen in MINT-Berufen befasst (www.mintdabei.de).

Wie wichtig ist Anerkennung im Beruf?

Jeder möchte gerne, dass andere seine Arbeit wertschätzen. Dies fördert das Selbstbewusstsein und die eigene Motivation. Wertschätzung kann inhaltlicher Natur sein, aber auch finanzielle Aspekte können sie zum Ausdruck bringen. Leider ist es gerade in frauendominierten Branchen, wie beispielsweise den personenbezogenen Dienstleistungen, so, dass diese Wertschätzung häufig auf der Strecke bleibt.

Warum sind manche Berufe besonders betroffen?

Oft sind es die geringqualifizierten Berufe, auf die herabgeschaut wird. Aber gerade auch frauentypische Berufe sind hier betroffen. Das hat nicht zuletzt mit gesellschaftlichen Werten und Normen, Rollenbildern und Rollenerwartungen zu tun. Und das ist ein Teufelskreis. Erfährt ein Berufsbild keine Wertschätzung, wird der Beruf meist schlecht bezahlt und nur wenige Menschen wollen ihn ausüben. Dadurch sinkt die Wertschätzung weiter.

Was kann der Arbeitgeber leisten, damit sich Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen?

Einen zentralen Einfluss hat das Betriebsklima im Unternehmen. Wie man miteinander redet und umgeht, spielt hier eine große Rolle. Oft sind es die kleinen Dinge, die den entscheidenden Unterschied machen. Ein Lob für gute Arbeit kostet nicht viel, kann aber viel bewirken und zeigt vor allem, dass nicht einfach als selbstverständlich genommen wird, was der Arbeitnehmer leistet. Toleranz gegenüber anderen Menschen und ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld sind auch Kernaspekte des Managements der Vielfalt in Unternehmen: Fühlen sich vielfältige Menschen im Unternehmen wohl und arbeiten sie gut zusammen, kann dies die Leistung und damit den Erfolg des Unternehmens positiv beeinflussen.

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Patrick Kohlberger

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