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demig: Corona? Nachfolge erfolgreich bewältigt

Text: Patrick Kohlberger, Fotos: Heiner Morgenthal

Einen Betrieb zu übernehmen, bewährte Traditionen fortzuführen und dabei gleichzeitig bewusst eigene Akzente zu setzen – diesen Wunsch verfolgen viele aufstrebende Führungskräfte. Wenn sie damit wiederum auf Senior-Unternehmer treffen, die ihr Lebenswerk langfristig in guten Händen wissen möchten, ergibt sich ein fruchtbarer Boden, auf dem erfolgreiches wirtschaftliches Handeln entstehen kann. Ein Beispiel dafür ist der Werdegang der demig Prozessautomatisierung GmbH und der demig Anlagentechnik GmbH aus Siegen-Weidenau.

Das Unternehmen wurde 1977 in Köln gegründet – seinerzeit unter dem Namen „demig microcomputer GmbH“. Die Verantwortlichen beschäftigten sich mit Sonderentwicklungen auf Mikroprozessorbasis. Acht Jahre später folgte der Umzug nach Siegen. Bereits zu diesem Zeitpunkt in vorderster Front aktiv: der heute 68-jährige Joachim Herbst. Nach seinem BWL-Studium fungierte der Rheinländer zunächst als Filialleiter einer Großbank, bevor er sich der jungen Firma als kaufmännischer Leiter anschloss. Über Dekaden hinweg sollte er das Unternehmen fortan in einer Doppelspitze mit Winfried Held maßgeblich prägen.

Die Verlagerung des Unternehmenssitzes war aufgrund einer finanziellen Förderung durch den S-Siegerlandfonds zustande gekommen. Das Führungsduo stieg in die Gesellschafter- und Geschäftsführerrolle auf. Der Betrieb wuchs in der Folge stetig und entwickelte sich konsequent weiter. Inzwischen zählt demig in der Verfahrenstechnik für die Wärmebehandlung zu den bedeutendsten Akteuren auf dem Markt. Mit einem umfassenden Angebot an Prozessreglern und Leitsystemen entwickelt man Steuer- und Regelungstechnik zur optimalen Führung von einzelnen Industrieofenanlagen bis zu vollautomatischen Wärmebehandlungslinien. Zu den Kunden gehören neben dem Metallbereich die Glas- und Keramik- sowie die Lebensmittelindustrie. Die demig-Produkte helfen, Qualitätsanforderungen zu erfüllen sowie organisatorische Abläufe exakt und optimal zu führen und genau zu dokumentieren. 21 festangestellte Mitarbeiter entwickeln Hard- und Software für Prozessleitsysteme industrieller Anlagen und stellen sie her.

Für Joachim Herbst war es entscheidend, den seit Jahren angedachten Übergang in der Firmenleitung so reibungslos und unkompliziert wie möglich zu gestalten: „Uns war wichtig, dass wir dem Unternehmen, den vielen Kunden und vor allem den Mitarbeitern zu einer positiven Zukunft verhelfen.“ Entsprechend fair und kompromissbereit sei das bisherige Führungsduo seinen Nachfolgern begegnet. Das Firmengeschehen wird nun auch weiterhin von einer Doppelspitze verantwortet. Zum 1. Januar haben René Boller (30) und Dr. Axel Müller (50) die Geschicke übernommen.

Die beiden arbeiten bereits seit 2016 intensiv zusammen und haben mehrere Projekte realisiert, darunter den Aufbau des Produktmanagements bei einem mittelständischen Automobilzulieferer. Gemeinsam haben sie sich dem Ziel verschrieben, ein etabliertes Unternehmen aus dem produzierenden Sektor zu übernehmen – mit ganz klaren Prinzipien, wie Müller unterstreicht: „Vertrauen, Mut und Begeisterung sind für uns die entscheidenden Werte. Wir haben einen Betrieb gesucht, der über ein solides, gesundes Fundament verfügt und sich behutsam fortentwickeln lässt.“ Gerade in der schwierigen Zeit komme es den beiden darauf an, Chancen statt Risiken zu sehen und unternehmerische Courage an den Tag zu legen.

Bei der demig Prozessautomatisierung GmbH erkannten sie das entsprechende Potenzial und vor allem ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell. Ein Wirtschaftsprüfer, den Joachim Herbst aus dem Netzwerk der Wirtschaftsjunioren Südwestfalen kennt, stellte schließlich den Kontakt her. Im April 2020 begannen die Übernahmegespräche – in einer sehr konstruktiven und harmonischen Art und Weise, wie Herbst zurückblickt: „Es passte sofort sehr gut. Wir haben uns super verstanden und auch inhaltlich schnell die richtige Ebene gefunden.“ Eine unternehmens- oder familieninterne Nachfolgeregelung ließ sich nicht realisieren. Auch ein möglicher Verkauf an einen Mitbewerber wurde geprüft, aber letztlich aus technischen Gründen verworfen.

Das Führungsduo und seine Nachfolger unterzeichneten eine Geheimhaltungsvereinbarung und konkretisierten den Austausch hinsichtlich der Vertragsgestaltung, ehe schließlich die Unterzeichnung des Kontraktes folgte. Den Übergang gestalten alle Beteiligten so flexibel und variabel wie möglich. Joachim Herbst, der bereits vor zwei Jahren seinen Posten als angestellter Geschäftsführer aufgab und seither als externer Berater mit einem deutlich reduzierten Stundenkontingent tätig ist, wird nun auch den neuen Anteilseignern noch einige Zeit lang mit seiner Expertise zur Verfügung stehen.

Winfried Held schied zum 31. Dezember 2020 aus der Geschäftsführung aus und fungiert jetzt ebenfalls als Berater. Mit Rat und Tat führt er seine Nachfolger intensiv und mit Bedacht in die neue Aufgabe und das Branchenumfeld ein, damit der Übergang für Unternehmen und Kunden so glatt wie möglich verläuft. Der 63-Jährige steht für das technische und vertriebliche Know-how, während sein langjähriger Partner die kaufmännische Seite abdeckt. Beide geben ihr Wissen gerne weiter, sind zugleich aber auch erleichtert, jüngeren Akteuren das Feld noch bei voller Tatkraft überlassen zu können. „Ein klein bisschen wehmütig wurde ich aber dann doch, als ich an meinem letzten offiziellen Arbeitstag meine Tasche gepackt und nach mehr als 35 Jahren endgültig meinen Schrank im Büro ausgeräumt habe“, gibt Joachim Herbst Einblicke in seine Gefühlswelt. Überwogen hätten aber die Freude über das Erreichte und die Zufriedenheit ob der geglückten Übergabe.

Die beiden Nachfolger setzen darauf, die Tradition des Unternehmens fortzuführen und unter sorgfältiger Abwägung von Chancen und Risiken punktuelle Veränderungen herbeizuführen. „In den ersten 100 Tagen sollte man ja ohnehin erst einmal nicht so viel ändern“, schmunzelt Axel Müller. Zudem stehe die Marke „demig“ für Konstanz, Zuverlässigkeit und ein solides Portfolio, das sich über Jahre bewährt habe. „Darauf bauen wir auf. Wer Innovationen erfolgreich umsetzen will, braucht genau ein solches, etabliertes Geschäft.“

Einen radikalen Schnitt werde es daher unter keinen Umständen geben – gleichwohl aber eine kontrollierte Erweiterung des Portfolios. Es gelte, das Bestands-Know-how gezielt zu übertragen, um neue Produkte zur Marktreife zu führen. Für Müller steht fest: „Mein Geschäftspartner und ich bringen die nötige Offenheit, vor allem aber auch enormen Respekt vor der Arbeit unserer Vorgänger mit. Der großen Verantwortung, die mit der Übernahme einhergeht, möchten wir jeden Tag gerecht werden – unternehmerisch denkend und wertorientiert steuernd.“

Eine Veränderung indes hat der erfahrene Unternehmer Joachim Herbst schon in den ersten Monaten der Geschäftstätigkeit seiner Nachfolger feststellen können – und zwar in Bezug auf den innerbetrieblichen Umgang. „Die beiden duzen jeden Mitarbeiter und verleihen dem Unternehmen somit einen ganz neuen Anstrich, der frischen Wind bringt.“ Für Axel Müller hat diese Herangehensweise einen ganz einfachen Hintergrund: „Wir kamen als Externe und wollten auf keinen Fall irgendeine künstliche Distanz aufbauen.“ Zudem hätten beide zum Beispiel bei verschiedenen Projekten mit der Berliner Start-up-Szene gemerkt, wie positiv sich ein kooperativer Führungsstil auf die Produktivität und das persönliche Miteinander innerhalb eines Unternehmens auswirken könne.

Info-Kasten

„Wir möchten gestalten“, fasst Dr. Axel Müller den grundlegenden Anspruch des neuen Führungsduos zusammen. Der gebürtige Siegerländer hat nach Abitur und Zivildienst sein Studium des Maschinenbaus an der Universität Siegen erfolgreich abgeschlossen und anschließend promoviert. In verschiedenen Bereichen sammelte er Führungserfahrungen, die ihn letztlich dazu motivierten, selbst eine Firma zu übernehmen. Sein Geschäftspartner René Boller hat den Studiengang „Automotive Engineering“ an der Universität Siegen absolviert und verfügt bereits in seinen jungen Jahren über umfassende Erfahrungen in den Bereichen Betriebswirtschaft, Produktmanagement, Markt-, Technologie- und Trendrecherchen.

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Tel: 02713302-317
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