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Rolf Kluge - Zwei Welten in einem Bild

Text: Brigitte Wambsganß, Foto: Privat

Rolf Kluge geht nicht wie ein Tourist durch eine Stadt. Er „knipst“ nicht nur die Sehenswürdigkeiten. Rolf Kluge ist auf der Suche nach „GEGENÜBERWELTEN“. So nennt er die faszinierenden Spiegelungen, die er mit seiner Kamera und seinem ganz besonderen Blick festhält. Und so heißt auch die Ausstellung, die vom 10. September bis zum 22. Oktober im Rahmen der Reihe „IHKansichten“ in der IHK-Galerie in Siegen zu sehen ist.

„What you see is what you guess“ lautet der englische Untertitel der Ausstellung. Er weist auf das Rätselhafte hin, das in vielen Fotos von Rolf Kluge steckt: Was ist real und was ist die Spiegelung? Menschen kommen in seinen Fotos selten vor – seine Arbeiten sind die fotografische Auseinandersetzung mit der Architektur von heute und mit physikalischen Erscheinungen. Es geht nicht um die konkrete Darstellung eines Gebäudes oder eines Innenraumes. Ihn interessieren die Effekte, die sich durch den Einfluss des Lichtes beim Fotografieren einer Fensterfront ergeben. Seine Motive befinden sich, wenn er auf den Auslöser drückt, gleichzeitig hinter und vor ihm. Und: Jedes Bild ist eine Momentaufnahme. Es kann sich in der nächsten Minute bereits eine andere Reflexion ergeben. „Ich nehme die Gegenwelten in einem Bild wahr“, erklärt Rolf Kluge. Die Überlagerungen, Verschiebungen und grafischen Elemente, die so entstehen, machen seine Fotografien so reizvoll.

Rolf Kluge findet seine „Gegenwelten“ überall auf der Welt. Besonders gern ist der Fotokünstler in den Hochhauschluchten von Metropolen unterwegs. „Verspiegelte und reflektierende Glaswüsten stecken voller Details, wenn man die gegenüberliegende Seite mit in Betracht zieht. Oft genügt schon der nächste Schritt oder eine leichte Bewegung mit der Kamera für ein völlig neues Motiv“, beschreibt Rolf Kluge seine spezielle Art der Fotografie auf der Webseite des KünstlerBundes Südsauerland, zu dessen Vorstand er gehört.

In den Bildern, die er in den Straßenschluchten von Millionenstädten fotografiert, vermischen sich Realität und Fiktion auf frappierende Weise: Fassaden von Gebäuden lösen sich in gegenüberliegenden Glasfronten in mal fließende, mal senkrechte und mal waagrechte Konturen auf. Ein Bild aus London zeigt ineinander verschachtelte Fassaden, die mit Schattenrissen und Farbeinsprengseln spielen. Überraschend ist auch der Effekt, der sich bei der Aufnahme einer Hochhausfront in einer chinesischen Stadt ergibt. Die fotografierte Fassade besitzt mosaikartig angelegte, rechteckige Fenster. Das Licht zeichnet in jedes ein kleines abstraktes Bild – phantastische Reflexionen von Teilen des gegenüberliegenden Gebäudes. Manchmal holt Rolf Kluge auch mit Absicht realistische Momente ins Bild – wie bei einem Foto aus Hongkong. Im Vordergrund dominiert das mit chinesischen Schriftzeichen plakatierte eingerüstete Gebäude, in der Glasfront dahinter taucht das Abbild der anderen Straßenseite auf. Oft bringen seine Arbeiten Unerwartetes zu Tage – zum Beispiel verwandeln Lichteffekte Bäume in ein grünes, impressionistisches Gemälde. Oder aus einer schlichten, durch den Lichteinfall verzerrten Stuhlreihe scheinen Pflanzen und Blütenteile zu wachsen. Ein Hingucker ist auch ein Foto aus London: Rolf Kluge fotografierte die Windschutzscheibe eines Busses. Das Ergebnis: Im Glas, hinter den großen Scheibenwischern, spiegeln sich in weichen Formen die Häuser der Straße – inklusive der bunten Blumenkästen. Was Betrachter für Zufall halten könnten, ist wohl kalkuliert: „Ich sehe das Ergebnis bereits bei der Aufnahme vor mir.“

In der Ausstellung zeigt er nicht nur Fassaden, sondern auch impressionistisch wirkende Interieurs. Am Flughafen von Bangkok hat er durch die Glasscheibe einer Halle fotografiert. Die Einrichtung und die Umrisse der wartenden Menschen sind leicht verwischt, darüber öffnet sich ein weiter, weißer Horizont. Manchmal verleiht Rolf Kluge auch prominenten und oft abgelichteten Gebäuden eine ganz neue Perspektive – etwa der „Ronald Reagan Library“ in der Nähe von Los Angeles. Sie ist durch die originale „Airforce One“ des ehemaligen US-Präsidenten, die im von einer runden Galerie eingefassten Foyer steht, eine Touristen-Attraktion. Rolf Kluge hat durch eine Glaswand Menschen fotografiert, die wiederum vor einer Fensterfront stehen. Auch das eine Etage tiefer geparkte Flugzeug ist zu erkennen. Die Spiegelungen, Verwischungen und die Farben Gelb, Rot und Himmelblau ergeben ein stimmungsvolles, heiteres Gesamtbild.

Ein weiteres Thema von Rolf Kluge sind minimalistische Bilder. Motive, an denen die meisten Passanten achtlos vorübergehen, die aber gerade durch ihre Kargheit eine intensive Wirkung ausstrahlen. Wie das Straßenbild aus Los Angeles. Es zeigt eine weiße Wand mit dem Schriftzug „Home Decor“. Davor ein einfacher gelber Hydrant und ein Baum. „Ich will die Verbindung von Urbanem und Organischem sichtbarmachen“, sagt er. Das gelingt ihm auch mit einem Foto, das er vor dem Jüdischen Museum in Berlin aufgenommen hat: Den Baum, der vor der Metallfassade steht, verwandelt das Licht in eine grafisch wirkende Silhouette. Spezielle Drucktechniken unterstreichen den mal malerisch-impressionistischen und mal graphisch nüchternen Stil seiner meist 1,5 Meter mal 1 Meter großen Bilder. Er verwendet je nach der Wirkung, die er erreichen will, mal einen textilen Untergrund oder auch weiße Folie. Rolf Kluge bearbeitet seine Fotos nur minimal am Computer: „Höchstens, um einen Ausschnitt festzulegen.“

Die Corona-Pandemie hat auch seine Pläne für weitere Fotoserien durchkreuzt: „Ich habe sechs Reisen abgesagt – unter anderem nach Südengland, Shanghai und Cancun.“ Irgendwann will er sie nachholen. Der Fotokünstler, der an der Uni Siegen Kunst und Englisch für das Lehramt an Realschulen studiert hat und seit 1992 als selbstständiger Grafiker und Designer in Lennestadt tätig ist, hat sich bereits mit zahlreichen Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen in der Region, aber auch in Dortmund und sogar in Polen und auf Kuba einen Namen gemacht – unter anderem war er 2012 mit seiner Straßenfotografie „10 seconds or less - revisited” in der IHK Siegen zu Gast. Die Ausstellung in der IHK-Galerie ist in Zusammenarbeit mit dem KünstlerBund Südsauerland e.V. entstanden.

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