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Regionalplan - Kritik auf allen Ebenen

Text: Britta Smit, Fotos: Carsten Schmale, Gemeinde Wilnsdorf, Heiner Morgenthal

Boden ist eine endliche Ressource. Wer ihn als landwirtschaftliche Fläche, zur Ansiedlung von Industrie- oder Gewerbegebieten, als Siedlungsraum, als Erholungs- oder Naturschutzbereich nutzt, nimmt ein kostbares Gut in Anspruch. Mit einer Nutzungsentscheidung wird eine Festlegung für Jahrzehnte getroffen. In der Regel ist sie nicht oder nur schwer rückgängig zu machen. Dazu kommt: Der Nutzungswunsch des einen steht dem eines anderen entgegen. Die Ansprüche der Industrie sind andere als die des Naturschutzes, der Freizeitbranche oder der Häuslebauer. Umso wichtiger ist es, dass der Flächenverbrauch in einem von Anfang an transparenten, allen Beteiligten zugänglichen und mitbestimmten Verfahren geplant, umgesetzt und gut kommuniziert wird. 

Das Instrument dazu ist der Regionalplan, der unter Federführung der Bezirksregierung in Arnsberg steht und den der Regionalrat verabschiedet. Im Dezember 2020 hat eben dieser Regionalrat den Erarbeitungsbeschluss zur Neuaufstellung des Regionalplans für den Märkischen Kreis sowie die Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe gefasst. Der   Planungshorizont umfasst 15 Jahre. Einschließlich zeichnerischer Festlegungen ist der Plan 6.500 Seiten stark. Er wurde allen am Verfahren Beteiligten, vor allem Kommunen, aber auch den involvierten Industrie- und Handelskammern, zur Stellungnahme vorgelegt. Die Frist endete am 30. Juni. Etliche Stellungnahmen waren gespickt mit inhaltlicher, bisweilen   vernichtender Kritik an den Planungsergebnissen, aber auch an der Art der Kommunikation, die Arnsberg betrieben hat. Der Wirtschaftsreport will in einer Berichtsserie das Verfahren noch einmal erklären, seine Effizienz analysieren und die vom Planungsprozess Betroffenen zu Wort kommen lassen. Zunächst soll der Fokus auf der Bewertung des Verfahrens und der begleitenden Kommunikation liegen.

„Grundsätzlich", betont Klaus Gräbener, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Siegen, „ist das Verfahren von seiner Anlage, seinem Kerngedanken her geeignet, den Planungsprozess transparent, ergebnissoffen, moderierend und demokratisch  zu  steuern." Den Grundgedanken, gemeinsam mit den Kommunen etwas zu entwickeln, das die Region zukunftsfest macht, hießen die Kammer und auch die 18 Kommunen des Planungsbezirks gut. Dabei hätte, so Gräbener (hier  ist  der  Konjunktiv  zu  beachten), vor allem das im Verfahren vorgesehene Gegenstromprinzip das Zeug dazu gehabt, die von  Arnsberg  gemachten Vorgaben passgenau für die betroffene Region zu entwickeln: „Man stelle sich einen Paternoster vor, im dem auf den untersten Ebenen die Kommunen Planungsvorschläge entwickeln, die dann in mehrstufigen Verfahren mit der Bezirksregierung abgestimmt werden. Auf den unterschiedlichen Planungsebenen können alle Betroffenen Kritik, Änderungswünsche oder aber auch eine uneingeschränkte Zustimmung abgeben. Die Paternosterkabine fährt damit befrachtet nach oben, das Planungspuzzle wird überformt, und es beginnt ein neuer Durchlauf. Die Umläufe werden so lange fortgesetzt, bis ein Kompromissplan gefunden ist, mit dem alle – wenn auch nicht alle laut jubelnd – leben können."

Paternoster sind offen. „Das Planungsverfahren ist es unserer Ansicht nach nicht", erklärt Gräbener. „Das Gegenstromprinzip wurde einfach nicht gelebt." Zwar habe die Bezirksregierung mit allen betroffenen Kommunen gesprochen, aber längst nicht über alle Punkte des Entwurfs. Wilnsdorfs Bürgermeister Hannes Gieseler formuliert es in einer öffentlichen Reaktion harscher. Die Planungen seien den Gemeinden und Städten „vor den Latz geknallt“ worden, meint er. Und er macht sich Sorgen über den nun durch die Kommunikationsbrüche drohenden Zeitverzug. Man stehe schließlich in Konkurrenz zu anderen Gebieten, und Investitionen wie Menschen könnten hierhin und dorthin wandern. Wichtig ist Gieseler in diesem Zusammenhang aber unbedingt, dass der Gesprächsfaden zwischen allen Beteiligten des Verfahrens nicht abreißt. Denn das würde weitere Verzögerungen mit sich bringen. 

Klaus Gräbeners Kritik an der ganz offenbar fehlgeschlagenen Kommunikation richtet sich aber nicht nur gegen die Bezirksregierung. Er findet auch sehr offene Worte, die auf die heimischen Vertreter im Regionalrat zielen: „Haben unsere Leute etwa nicht gelesen, was sie beschlossen? Oder haben sie vielleicht nicht alles verstanden, was sie dort lasen, aber dennoch zugestimmt? Wie konnten sie angesichts des Sturms der Entrüstung, der sich in den Kommunen gegen den Regionalplan zusammenbraute, behaupten, der Planungsentwurf sei ,wegweisend für die Zukunft der Region‘?“ Hermann-Josef Droege, Vorsitzender des Regionalrats in Arnsberg und gleichzeitig Sprecher der CDU-Kreistagsfraktion in Siegen-Wittgenstein, hielt im Kreistag unlängst dagegen. Er räumte zwar ein, dass die Kommunikation nicht optimal gelaufen sei, und sagte, es sei nur logisch, dass es eine zweite Offenlegung des Plans – also die von Gieseler befürchtete Zeitverzögerung – geben werde. Gleichzeitig riet er aber allen am Planungsprozess Beteiligten, „einfach mal abzurüsten“. Michael Sittler (SPD) stimmte zu und betonte: „Wir sollten alle wieder die Tassen in den Schrank räumen.“

Im Kreistag mochten das die FDP und die UWG nicht unwidersprochen lassen. Das Argument, der Plan sei doch erst in der Erarbeitung, Einwände und Proteste würden noch gehört, fand der Vertreter der UWG im Kreistag nicht überzeugend. Denn bereits jetzt hat der Regionalplan vorläufig bindende Wirkung. Aus der FDP im Kreistag verlautete deshalb: „Wenn man als Regionalrat einen Entwurf passieren lässt, der vorn und hinten nicht passt, der aber rechtswirksam ist, dann ist das ein Skandal."

Und noch einmal zurück zum Bild des Paternosters: Klaus Gräbener meint, schon das erste Beratungspaket, das von Arnsberg auf den Weg geschickt wurde, sei „mit Arnsberg überfrachtet" gewesen. Er pocht auf das Prinzip der Subsidiarität. Man hätte von Anfang an mehr auf die Kommunen, die örtlichen Entscheidungsträger, hören sollen. „Die wissen, was in der Region Not tut und was der Region guttut." Und weiter: Arnsberg hätte sich von Anfang an stärker auf die Moderation des Prozesses denn auf die (Vor-) Festlegung von Zielen konzentrieren sollen. Und noch ein grundsätzliches Manko macht der IHK-Hauptgeschäftsführer aus. Arnsberg versuche mit dem Plan Ungleiches gleich zu machen. Mit Blick etwa auf die Erschließung von Gewerbegebieten bemerkt er: „Die heimische Region mit ihrer Topografie, ihren oft engen Tallagen, braucht besondere, eben auf diese spezielle Problematik zugeschnittene Planungsparameter, andere Parameter als etwa der Märkische Kreis." 

Und dann wird Gräbener noch grundsätzlicher: „Was", so fragt er sich, „passierte, wenn in der Planungspyramide, an deren Spitze die Vorgaben der Europäischen Union stehen und deren Basis das kommunale Baurecht bildet, die Regionalplanung wegfiele und allein der  Landesentwicklungsplan maßgeblich wäre? Was würde passieren, wenn man auf dieses monströse Zwischenplanungswerk verzichten würde?" Seine Antwort darauf: „Vermutlich nichts Negatives." Eine immense Kostenersparnis, ein enormer Bürokratieabbau und Spielräume für die Kommunen dürften sich nach Gräbeners Meinung aber auf der Gegenseite   positiv auswirken. In Düsseldorf sollte man mit dieser Haltung bei der Landesregierung eigentlich offene Türen einrennen, stutzt Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart doch gerade im Gesetzes- und Verordnungsdschungel den Wildwuchs ein. Allerdings sind die Regionalpläne im Raumordnungsgesetz des Bundes verankert – vielleicht müsste Düsseldorf da ein grundsätzliches Gespräch mit Berlin suchen.

Überfrachtung ist auch für Kreuztals Stadtplanerin Petra Kramer mit Blick auf den Regionalplan ein Kritikpunkt. Sie meint, die im Planungswerk fixierte Überinformation führe zur Desinformation. Ein Narr, wer Böses dabei denkt.

Knapper, präziser und ohne jede Überfrachtung fiel die Stellungnahme der Bürgermeisterkonferenz unter Vorsitz von Kreuztals Bürgermeister Walter Kiß aus. Die elf Bürgermeister des Kreises Siegen-Wittgenstein fassten ihre Kritik auf sieben Seiten zusammen. Die Stellungnahme ging schon im Mai nicht nur an Regierungspräsident Hans-Josef Vogel. Sie wurde auch Landesbauministerin Ina Scharrenbach zugeleitet.

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Regionalplan steht wohl auf vielen Ebenen erst ganz am Anfang.

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