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Video-Marketing - Mehr als nur eine Alternative

Text: Patrick Kohlberger, Fotos: Carsten Schmale (2), aquatherm (1), EJOT (1), Uni Siegen (1)

Bewegte Bilder prägen unseren Alltag – egal, ob ganz klassisch im Fernsehen, über große digitale Tafeln in den Innenstädten oder etwa in Form des „Video-Beweises“ im Fußball. Auch die Wirtschaft hat die Vorzüge des Videos als Kommunikationsmittel inzwischen erkannt. Der Wirtschaftsreport nimmt beispielshaft drei Unternehmen aus dem Kammerbezirk unter die Lupe, die sich der Thematik in besonders effizienter und nachhaltiger Weise angenommen haben.

Nachwuchskräfte auf unterschiedlichsten Wegen aktiv anzusprechen und sie von den Vorteilen einer dualen betrieblichen Ausbildung zu überzeugen, ist für Unternehmen nahezu aller Branchen ein Eckpfeiler auf dem Weg in eine erfolgreiche Zukunft. Längst vorbei sind die Zeiten, in denen sich die Firmen aus einer Vielzahl an geeigneten Bewerbern die besten Akteure aussuchen konnten. Der demografische Wandel und der mit ihm verbundene Fachkräftemangel verlangen Betrieben kreatives Denken und das Beschreiten ungewohnter Pfade ab, um auf dem Markt bestehen und sich gegen die Konkurrenz behaupten zu können.

Diese Entwicklung hat auch die aquatherm GmbH, Hersteller von Rohrleitungssystemen aus dem Kunststoff Polypropylen, erkannt. Das Attendornder Familienunternehmen ließ sich nun etwas ganz Besonderes einfallen, um die junge Zielgruppe noch besser zu erreichen: einen virtuellen 360-Grad-Rundgang durch die Firma. Marketing-Leiterin Meike Strauch erklärt die Hintergründe: „Wir haben nach einem neuen Weg gesucht, um künftige Auszubildende anzusprechen, da die klassischen Mittel, zum Beispiel Stellenanzeigen in den Zeitungen, auf immer weniger Resonanz bei den Jugendlichen stoßen.“ Zudem habe die Corona-Pandemie den persönlichen Austausch mit den jungen Menschen erheblich erschwert. Insbesondere das Fehlen von Präsenzmessen und Schulbesuchen hätte sich entsprechend ausgewirkt.

Nach intensiver Recherche stieß das Unternehmen auf die intersyst GmbH, einen Anbieter, der die Idee des digitalen Rundgangs ermöglichte. „Da war uns dann schnell klar, dass wir unseren künftigen Azubis so etwas unbedingt ermöglichen wollen“, unterstreicht die Marketing-Leiterin. Die Jugendlichen haben nun die Möglichkeit, die Firma per Tablet oder Smartphone spielerisch zu erkunden und zum Beispiel einen Blick in die Produktion, die Logistik oder die Instandhaltung zu werfen. Der Clou: An ausgewählten Punkten sind Zusatzinformationen in Form von Texten, Bildern und – natürlich – Videos hinterlegt. Hinzu kommen Interviews mit aktuellen Azubis und Ausbildern.  Meike Strauch berichtet: „Die Bewerber entdecken aquatherm wie in einem Strategiespiel Stück für Stück und sammeln so Fakten zu den angebotenen Ausbildungsstellen.“

Das Konzept kommt bei der Zielgruppe sehr gut an: Der Rundgang (zu finden unter scout-ed.de/360/aquatherm/) wurde allein in den ersten vier Wochen knapp 2.000 Mal in Anspruch genommen – Tendenz: steigend. Die Rückmeldungen sind durchweg positiv. Viele Jugendliche seien überrascht, wie es im Unternehmen aussehe und unter welchen Bedingungen die Beschäftigten arbeiteten, betont Strauch: „Mit veralteten Vorstellungen von schmutzigen und körperlich anstrengenden Tätigkeiten hat die Arbeit bei uns nämlich nichts zu tun. So manche Vorbehalte von Jugendlichen und Eltern werden auf diese Weise widerlegt.“ Vielmehr sehe man den Einsatz modernster Technologien und Geräte, die die Arbeitsprozesse der Belegschaft erleichterten.

Dass aquatherm mit dem neuen Angebot ins Schwarze getroffen hat, bestätigt auch der Nachwuchs aus den eigenen Reihen – so zum Beispiel Anna-Lena-Pallmer. Die junge Frau hat im Sommer ihre Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik bei dem Attendorner Unternehmen beendet und stuft den 360-Grad-Rundgang als echte Bereicherung für mögliche neue Azubis ein: „Man bekommt so einen sehr guten Eindruck von den einzelnen Abteilungen der Firma. Die Entscheidung für oder gegen ein Ausbildungsunternehmen fällt leichter, wenn man sich vorher einmal umschauen kann.“ Weiterer Vorteil aus ihrer Sicht: Videos würden im Internet deutlich schneller weitergeleitet und verbreitet als Texte.

Das Instrument Videomarketing nutzt aquatherm im Übrigen schon seit längerer Zeit intensiv. Auf dem YouTube-Kanal der Firma finden Interessierte rund 60 Videos zu den Produkten und Dienstleistungen der Sauerländer. Auch im Social-Media-Bereich sind die Verantwortlichen aktiv – von LinkedIn über Facebook bis hin zu Instagram. Hier kommen – genau wie auf der aquatherm-Website – Videos zum Einsatz. Doch warum eigentlich? „Bewegtbilder fesseln die Nutzer mehr als Bilder oder Texte. Dies stellen wir immer wieder fest“, verdeutlicht Meike Strauch. Vor allem beim Erzählen von Geschichten, die mit Emotionen verbunden seien, komme dies klar zum Ausdruck. „Außerdem sinkt bei vielen Menschen durch die immer größere Informationsflut die Bereitschaft, lange Texte zu lesen.“

Generell kämen Videos insbesondere bei der jungen Zielgruppe sehr gut an: „Die heutigen Jugendlichen sind mit der Digitalisierung aufgewachsen und verhalten sich entsprechend. Die nachgewiesene Beliebtheit von kurzen Videos oder Storys über Instagram & Co. spricht Bände.“ Mit den lebendigen Montagevideos, durch die man komplexe Arbeitsprozesse unterhaltsam, emotional und eben sehr kompakt transportiere, eröffneten sich aquatherm ganz neue Möglichkeiten.

Die vielfältigen Chancen des Video-Marketings weiß die EJOT Holding GmbH & Co. KG aus Bad Berleburg ebenfalls zu schätzen. Der Spezialist für Verbindungs- und Befestigungstechnik hat seine Aktivitäten in diesem Bereich während der vergangenen Jahre sukzessive intensiviert. Grundsätzlich, betont Andreas Wolf, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, könne man nahezu alle unternehmensrelevanten Themen via Video kommunizieren: „Insbesondere komplexe Sachverhalte lassen sich auf diese Weise transparent und verständlich darstellen.“

Der Wittgensteiner Traditionsbetrieb nimmt dabei vor allem eine Zielgruppe besonders in den Blick: die (angehenden) Fachkräfte, die das Unternehmen in Zukunft prägen sollen. Der Online-Kanal „EJOT Karriere“ soll über die vielfältigen beruflichen Perspektiven in der Firma informieren. Den Start hat man mit dem Bereich „Ausbildung und Studium“ gemacht. Eine kleine Redaktion aus Azubis und Studierenden entwickelt Ideen sowie Inhalte und bereitet Postings für die Social-Media-Plattformen vor. „Perspektivisch wollen wir den Kanal weiter ausbauen und authentische Einblicke von der Ferienarbeit bis zur Führungskraft bieten“, blickt Andreas Wolf voraus. Auch aktuelle Stellenanzeigen, Informationen zu Recruiting-Events oder den vielen Benefits, die das Familienunternehmen seinen Mitarbeitern biete, seien geplant.

Das Feedback auf die Aktivitäten falle sehr positiv aus. „Das sehen wir an den Likes und Kommentaren“, ordnet Wolf ein. Die Rückmeldungen seien freilich im Einzelfall sehr unterschiedlich und abhängig von den Themen: „Wenn wir zum Beispiel einem Azubi zur bestandenen Prüfung gratulieren, ist die Resonanz besonders gut.“ Der Bereich der Ausbildung erfreue sich insgesamt einer sehr hohen „Einschaltquote“.

Dies bedeute aber nicht zwingend, dass Videos nur für die junge Generation interessant seien. Das sei allenfalls auf den ersten Blick so. Jugendliche hätten zwar zweifelsfrei einen direkteren Zugang, da sie mit diesem modernen Medium aufgewachsen seien und auch selbst privat regelmäßig kurze Videos produzierten und ins Netz stellten. Ältere Menschen legten aber inzwischen ebenfalls eine hohe digitale Affinität an den Tag. „Wenn Senioren Videos von ihren Enkelkindern sehen, ist die Wirkung intensiver als bei jedem Foto“, nennt Andreas Wolf ein einfaches Beispiel.

Im unternehmerischen Kontext, stellt er heraus, sollten Videos maximal 90 Sekunden lang sein, um die zentrale Botschaft zu vermitteln und den Nutzer nicht mit Informationen und Eindrücken zu überfrachten. Häufig hätten kurze Clips die Funktion eines Appetithappens.  „Um beim Essen zu bleiben: Ist das Amuse-Gueule, also der Gruß aus der Küche, raffiniert und lecker, dann ist meistens auch das Menü im Anschluss gut.“

Zurück zur primären Zielgruppe des Kanals „EJOT Karriere“: Videoformate sind hier ein wichtiger Bestandteil, um zum Beispiel den Ausbildungsstandort oder bestimmte Lehrberufe vorzustellen. Der Informationsgehalt sei ungleich größer als der in einer Stellenanzeige in einer Tageszeitung, verdeutlicht Wolf: „Um angehende Schulabsolventen zu erreichen, setzen wir aber insgesamt ein vielfältiges Instrumentarium ein: Videos, Flyer und Broschüren, Werbebanner etc.“

Ein alleiniges Heilmittel stelle der Video-Sektor nämlich trotz aller Vorteile nicht dar. „Ganz wichtig und unersetzlich ist der persönliche Kontakt, den wir auf ganz unterschiedliche Weise suchen und pflegen. Wir sind in unseren Partnerschulen präsent und besuchen Ausbildungsmessen, laden Schüler in unser Unternehmen ein – von verschiedenen Praktika über den ,Girl’sDay“ bis zur Nacht der Ausbildung.“ Wenn ein junger Mensch einen gewerblich-technischen Beruf erlernen oder Maschinenbau studieren wolle, dann sei es ganz entscheidend, vorher erst einmal in der Lernwerkstatt auszuprobieren, wie eine Schraube produziert werde.   

Ein neues Instrument hat indes auch „Tharida“, der Fachhandel für Stoffe und Nähzubehör in Kreuztal, etabliert. Das Geschäft setzt seit einigen Monaten auf Livestreams via Facebook, die dazu beitragen sollen, im Gespräch zu bleiben und möglichst viele Kunden auf angenehme und informative Weise anzusprechen. „Entstanden ist die Idee während des Lockdowns“, blickt Inhaberin Iris Ramroth zurück: „Seit unserer Gründung im Herbst 2019 hatte ich gefühlt den Laden mehr geschlossen als geöffnet. Meine Einnahmen beschränkten sich auf das Zusatzgeschäft unseres Onlineshops und die wenigen „Click-and-Meet“-Einkäufe. Was ich im Überfluss hatte, war Zeit! Zeit zum Nachdenken, wie ich den jungen Laden halten und die Kosten decken kann. Ich wollte einfach aktiv gegensteuern. Vom Resignieren ist niemandem geholfen.“

Zwar sei das Einkaufserlebnis vor Ort nicht zu 100 % auf digitalem Weg zu ersetzen, bemerkt die Unternehmerin. Dennoch lasse sich mit modernen Mitteln eine ganze Menge erreichen. Ziel sei es gewesen, allen Käufern und Interessierten neben dem Onlineshop noch eine weitere Gelegenheit zu bieten, das Portfolio des Ladens kennenzulernen, während dieser aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen geschlossen war.

Freilich sei der Gründerin und ihrem Team bewusst, dass zum Beispiel auch Fotos und kurze Texte über Social-Media-Plattformen eine sinnvolle Option darstellten. Das Bewegtbild komme aber dem „realen“ Empfinden im Geschäft noch deutlich näher: „Im Video-Stream sehen die Menschen, wie die Stoffe fallen. Sie erleben uns live und können im Chat direkt Fragen stellen. Das schafft eine ganz persönliche und vertrauensvolle Atmosphäre.“

Der Gedanke hinter Ramroths Konzept ist einfach und effizient. Das Ganze erinnert an das klassische „Homeshopping“, ergänzt um einen interaktiven Teil: Die Kunden rufen von ihrem Zuhause oder von jedem beliebigen Ort aus den Livestream auf und können dort einen ausgiebigen Blick auf die neuesten Stoffe und Kreationen werfen – verbunden mit der Möglichkeit, sich die Angebote direkt per Kommentar unter dem Video nach dem „Windhundprinzip“ zu sichern. Alle Stoffe und Komplett-Sets werden limitiert und erhalten eine Nummer, die zur Gebotsabgabe der Interessierten im Kommentarfeld dient.  

Der Livestream läuft unter dem Namen „Nähbar“. Diese Bezeichnung soll den Unterhaltungsaspekt, der mit dem Format einhergeht, unterstreichen. „Mit unserem Programm kann man es sich freitags zum Start ins Wochenende gemütlich machen, gerne auch bei einem Gläschen Wein – eben genau so wie bei einem entspannenden Fernsehabend“, verdeutlicht Iris Ramroth. Sie setzt die Idee gemeinsam mit einem interdisziplinär besetzten Team um. Zu diesem gehören „Tharida“-Mitarbeiterin Silke Grafe, Markenexperte Antonino Affronti von der Werbeagentur „disegno“, Technikprofi Nico Seifert sowie Janet Bingener (Fleischerei Binger), die in diesem Jahr das Nähen für sich entdeckt hat. „Natürlich helfen alle ehrenamtlich nach Feierabend“, zeigt sich Ramroth dankbar für die großartige Hilfe. Bis zu vier Kameras sind jeweils im Einsatz, um den Zuschauern möglichst abwechslungsreiche Bilder und verschiedene Perspektiven auf die Stoffe zu liefern.

Die Resonanz fällt durchweg positiv aus. Pro Session sind durchgängig 60 Zuschauer an den Endgeräten mit dabei. Während der 2,5-stündigen Sendezeit schalten im Schnitt circa 120 Personen ein. Besonders bemerkenswert: Iris Ramroth ist es durch die Livestreams gelungen, ihren geografischen Wirkungsradius erheblich zu vergrößern. „Es sind viele Neukunden hinzugekommen, etwa aus dem bayerischen Raum.“ Das Video-Format führe logischerweise dazu, dass lokale oder regionale Grenzen keine Rolle mehr spielten. „So können wir zielgruppengerecht Menschen erreichen, die ansonsten vermutlich nie auf uns und unser Angebot gestoßen wären“, ordnet die Schneidermeisterin ein.

Der Livestream lief während des Lockdowns im Rhythmus von zwei Wochen. Danach folgte eine Sommerpause – aus einem ganz einfachen Grund, wie Ramroth erklärt: „In den warmen Monaten ist der Andrang auf Stoffe und Nähzubehör traditionell deutlich geringer – ganz unabhängig von der Frage, ob man im Laden oder online an die Kunden herantritt.“ Jetzt im Herbst und Winter können es sich die Zuschauer einmal pro Monat freitagabends mit dem „Tharida“-Stream gemütlich machen.

Nach der Corona-Pandemie soll die Infotainment-Verkaufsshow weiter Bestand haben. Für Iris Ramroth steht fest, dass das Video-Format auch in „normalen“ Zeiten einen echten Mehrwert mit sich bringt – nicht als vorrangige Art der Kommunikation mit den Kunden, wohl aber als sinnvolle Ergänzung: „Wir wollen alle Interessierten bestmöglich erreichen und ansprechen – sowohl im Geschäft als auch auf unserer Webseite, in den sozialen Medien und via Onlineberatung. Der direkte Austausch ist ein absolutes Kernelement unserer Unternehmensphilosophie.“

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