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Weiterbildung im bbz: Digitaler Lernprozess

Text: Patrick Kohlberger, Fotos: Carsten Schmale (2), bbz (1)

Der durch die Corona-Pandemie beschleunigte Übergang ins digitale Zeitalter bringt für das Bildungswesen einige Herausforderungen, aber auch jede Menge Möglichkeiten mit sich. Das trifft auch auf die Arbeit des Berufsbildungszentrums (bbz) der IHK Siegen zu. Der Wirtschaftsreport berichtete bereits über den Umstieg auf das „virtuelle Klassenzimmer“ (virtual classroom – VC). Weiterbildungsreferentin Claudia Bügeler und zwei Lehrkräfte schildern nun ihre konkreten Erfahrungen aus den Unterrichtseinheiten.

Sibylle Klappert kann die Schwierigkeiten und die gleichzeitigen Chancen der Tätigkeit im VC aus erster Hand bestätigen. Sie ist seit vielen Jahren als Dozentin für das bbz im Einsatz und bezeichnet sich selbst augenzwinkernd als „Dinosaurier des Präsenzunterrichts“. Das unmittelbare Feedback der Kursteilnehmer fehlt ihr sehr. „Die einfachen Rückmeldemöglichkeiten – von ,Ja‘ und ,Nein‘ über ein Klatschen bis hin zur angezeigten Wortmeldung – sind keine wirkliche Kompensation für das klassische Stirnrunzeln, den fragenden Blick, das Nicken oder auch das Lachen in der Konstellation von Angesicht zu Angesicht.“ 

Natürlich bestehe die Option, die Kamera einzuschalten, aber insbesondere bei größeren Gruppen seien die Bilder so klein, dass man daraus nichts ablesen oder ableiten könne. Dies war der Anlass für die Anschaffung von vier Kameras, die eine Einbindung der Teilnehmer und Lehrmittel ermöglichen. Technische Restriktionen kämen erschwerend hinzu: „Eine Bildübertragung kostet Datenvolumen, was die Kommunikation zum Teil wegen Verzögerungen weiter erschwert.“ Letztlich müsse man sich darauf verlassen, dass die Beteiligten ehrliche Antworten auf die Frage „Haben Sie alles verstanden?“ geben. „Manchmal glaube ich aber, einen Gruppendruck auszumachen, wenn viele Häkchen kommen und einzelne Teilnehmer sich dann – mit Verzögerung – der Mehrheitsmeinung anschließen.“

Für die Lehrenden bedeute der virtuelle Unterricht, dass es neben dem über Jahre nachgewiesenen fachlichen Wissen zusätzlich darauf ankomme, in methodisch-didaktischer Hinsicht hinzuzulernen. „Die Herangehensweise ist schon eine andere. Man muss im Vorfeld genau überlegen, was man wie vermitteln oder thematisieren möchte. Die Spontaneität in den Kursen ist natürlich eingeschränkt. Mal eben einen Exkurs zum Thema X einwerfen oder eine kurze Skizze zur Verdeutlichung eines Sachverhaltes anfertigen: Solche Dinge sind nur bedingt möglich.“ Der Vorbereitungsaufwand – auch in zeitlich-handwerklicher Sicht – sei größer, und die psychische Beanspruchung der Dozenten falle im VC um ein Vielfaches höher aus als im Präsenzunterricht.

Um bestmöglich vorbereitet zu sein, haben die Lehrenden einen Kurs besucht, der ihnen die wichtigsten Grundlagen des digitalen Unterrichts vermittelte. Die Sommerpause haben einige genutzt, um sich im Rahmen einer Online-Trainer-Ausbildung weiter zu qualifizieren. „Ich persönlich hatte starke Vorbehalte“, räumt Sibylle Klappert ein. Sie habe jedoch letztlich die Möglichkeiten einer Lernplattform als Überbrückung oder Ergänzung zum Präsenzunterricht erkannt und ab November 2020 übergangslos angewendet. In der Anfangsphase habe es sich aus ihrer Sicht bewährt, eine Art „Drehbuch“ zu schreiben, damit sie im VC nichts vergesse und die Teilnehmer möglichst variantenreich mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (Whiteboard, Umfrage, Markierungswerkzeuge) einbinde. Zudem haben bbz-ausgebildete Online-Trainer ihr Wissen durch interne Best-Practice-Schulungen weitergegeben.

Wichtig sei es vor allem, die Rückmeldungen der Lernenden immer wieder bewusst zu fordern, macht Klappert klar: „Im Chat können Fragen gestellt werden, auf die ich dann sofort eingehe. Eine persönliche namentliche Ansprache ist absolut unverzichtbar.“ In den verschiedenen Fächern, die Klappert lehrt, sei es nicht immer gleich gut möglich, die Inhalte digital an den Mann und die Frau zu bringen. Bei den klassischen BWL-Themen falle ihr das Ganze grundsätzlich relativ leicht. Im Feld „Personalführung“ sei es jedoch deutlich schwieriger, da der Transfer der Theorie in Rollenspielen oder Gruppenarbeiten eine erhebliche Einschränkung im VC erfahre und zum Teil im vorgegeben Zeitkorridor so nicht realisierbar sei. „In meinen Kommunikationsthemen, bei denen die Körpersprache eine besondere Rolle einnimmt, finde ich Moderation und Präsentation im VC einfach nicht praktikabel und zielführend. Da bleibt zu viel auf der Strecke.“ Insgesamt aber komme sie mit den neuen Methoden immer besser zurecht.

Gleiches gilt auch für Sumaya Bohmerich. Sie ist seit nunmehr 14 Jahren in der Erwachsenenbildung tätig und agiert seit 2020 freiberuflich in Diensten des bbz. Dort unterrichtet sie in verschiedenen Kursen der höheren Berufsbildung, zurzeit unter anderem im Bereich Marketing für das Gesundheits- und Sozialwesen. Die Qualifizierung als Online-Trainerin wertet sie rückblickend als „hervorragenden Einstieg“ in den digitalen Unterricht. Im VC sei die Sicherstellung des technischen Ablaufs zunächst das beherrschende Thema gewesen. Bei dem einen oder anderen Teilnehmer habe zwischendurch mal die Verbindung nicht gehalten. „Und auch ich als Dozentin habe eine Weile gebraucht, bis ich mich sicher gefühlt habe. Online-Unterricht muss man erst einmal lernen. Es ist wie eine Fremdsprache. Wenn man die nicht richtig übersetzt, bleiben am Ende wichtige Informationen auf der Strecke.“ Die Lehrenden seien wesentlich geforderter, gezielt zu kommunizieren, als dies im analogen Unterricht der Fall sei.

Konkret bedeutet das: Sumaya Bohmerich bindet in den Kurseinheiten ganz bewusst alle sieben Minuten ein interaktives Element ein, um eine gute Atmosphäre zu schaffen. „Wichtig ist, dass man nicht immer dasselbe Schema abspult, denn sonst wird der Unterricht berechenbar und letztlich langweilig. Dann sinkt die Aufmerksamkeit merklich.“ Die Dozentin motiviert zu Gruppenarbeiten und direktem Austausch. Am Anfang jeder Stunde beantworten die Teilnehmer nacheinander jeweils eine Frage. So wird dokumentiert, dass alle mitmachen. „Dadurch steigt nicht zuletzt auch das Gemeinschaftsgefühl. Und das ist genau der Faktor, der online besonders schwerfällt, wenn man nicht bewusst etwas dafür tut.“

Im „realen“ Klassenzimmer falle es naturgemäß leichter, den Grad der Motivation und Leistungsbereitschaft zu bewerten – und auch herauszufinden, mit welchen Tricks und Kniffen man jedes Individuum am besten motivieren könne. „Einen meiner aktuellen Kurse kenne ich ausschließlich aus dem VC. Die Bindung aufzubauen, dauert hier einfach ein bisschen länger.“ Sumaya Bohmerich schaltet ihre eigene Kamera während jeder Übungseinheit nonstop ein. Ihre Teilnehmer sind aufgerufen, bei Wortmeldungen sichtbar zu sein. „Es ist ganz elementar für die Gruppendynamik, dass sich alle so oft wie möglich zu Wort melden und für die anderen zu sehen sind.“ Letztlich sei auch immer die Eigenverantwortung der Beteiligten gefragt. „Man sollte sich zuhause eine echte Arbeitsumgebung schaffen und sich genau so vorbereiten, wie man es auch beim Gang ins bbz machen würde.“

Das Feedback für die neuen digitalen Methoden falle bisher absolut positiv aus, ordnet bbz-Weiterbildungsreferentin Claudia Bügeler ein. Entscheidend sei es, trotz der räumlichen Distanz ein gewisses Maß an Nähe zu schaffen. Unerlässlich dafür: das technische Grundverständnis. „Man muss sich in Ruhe damit auseinandersetzen, wie man mit Mikrofon, Kamera, Bildschirm-Teilen, Freischaltungen, Lautstärkereglern, dem Hochladen von Dateien etc. umgeht, wie der Zugang zum VC funktioniert und welche Bedeutung die Fachbegriffe im digitalen Unterricht haben. Das ist Fleißarbeit, keine Frage. Aber es lohnt sich.“ Nähe schaffe man vor allem durch Verbindlichkeit und Verlässlichkeit, eine eindeutige Ansprache und klare Vereinbarungen bzw. Strukturen. „Beim Kameraeinsatz hilft auch das Gefühl, dass man den anderen direkt anschaut. Das kann man zum Beispiel durch einen Teleprompter erreichen.“  

Klar sei auch, dass der Umstieg nicht von einem auf den anderen Tag ohne Probleme gelingen könne: „Es ist ein Prozess, der noch einige Zeit andauern wird.“ Besonders erfreulich: Sowohl die Kursteilnehmer als auch die Dozenten legten eine große Fehlertoleranz an den Tag. „So fällt es viel leichter, sich im neuen Umfeld einzufinden, konsequent dazuzulernen und die Abläufe zu optimieren.“ Komplex und schwierig sei hingegen die Frage der Ergebnissicherung. „Aus meiner persönlichen Sicht wird es nur gelingen, wenn man den Teilnehmern eine Selbsttestmöglichkeit zur Verfügung stellt, mit der sie schnell und zeitnah eine Einschätzung zu ihren Leistungen erhalten.“ Bei den Situationsaufgaben im Bereich der höheren Berufsbildung sei die Erstellung eines Tests eine weitere Herausforderung. „Da auch die handschriftliche Bearbeitung der Fragen ein Bestandteil der Prüfungsvorbereitung ist, probieren wir zurzeit noch aus, wie wir diesen Aspekt berücksichtigen und realisieren können.“

Das bbz hat in Online-Schulungen investiert und wird diesen Weg weiter beschreiten. Staatliche Unterstützungsangebote gibt es in diesem Bereich nicht. Inzwischen sind 15 Dozenten zum Online-Trainer (IHK) ausgebildet. „Auch dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen“, erklärt Claudia Bügeler. Man befinde sich in der Planung der nächsten internen Schulungsangebote und freue sich auf weitere „Mitstreiter“. Letztendlich habe sich die Investition amortisiert, und das bbz habe (Stand: März) bereits mehr als 600 Online-Veranstaltungen durchgeführt. Dadurch sei es gelungen, das Bildungsangebot und die Wissensvermittlung aufrechtzuerhalten, sodass die Teilnehmer planmäßig ihre Prüfungen ablegen konnten.

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