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Zweigleisiger Ausbau der Siegstrecke gefordert: Breites Bündnis aus Wirtschaft und Politik appelliert an Bahn-Vorstand

Seit 80 Jahren verläuft der Bahnverkehr zwischen Siegen und Köln (Siegstrecke) auf zwei kleinen Abschnitten nur eingleisig. Dies führt zu dauerhaften Verzögerungen im Personennahverkehr und zu erheblichen Engpässen im Güterverkehr. Gemeinsam drängen jetzt Wirtschaft, Gewerkschaften, Landräte, Verkehrsverbände und Eisenbahnverkehrsunternehmen den Betreiber, die DB InfraGO AG, die durchgängige Zweigleisigkeit nunmehr endlich umzusetzen. Hintergrund: Die Deutsche Bahn hat angekündigt, die Strecke ab Dezember 2026 zu sanieren und hierfür die Bahnverbindung zwischen Siegen und Troisdorf für ein halbes Jahr vollständig zu sperren. Hierdurch werden gravierende Auswirkungen für Pendler und Reisende, aber auch für den Wirtschaftsverkehr erwartet.
„Aus unserer Sicht bieten die geplante Sanierungsmaßnahme und die ohnehin vorgesehene Vollsperrung der Trasse die einmalige Chance, die auf Weltkriegsschäden zurückgehenden Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit der Bahnstrecke endlich zu beheben“, erklären die Vertreter aus der Region in dem Schreiben an DB-Vorstand Dr. Richard Lutz. Sollte dies planerisch nicht möglich sein, appellieren die Unterzeichner dafür, die Ausführung der Generalsanierung der Siegstrecke so lange zu verschieben, bis die Herstellung der Zweigleisigkeit zusammen mit der Sanierung als gesamthafte Maßnahme ausgeführt werden kann. Sollte die Sanierung so lange nicht aufschiebbar sein, müsse unverzüglich mit den Planungen begonnen werden, damit die Zweigleisigkeit unmittelbar im Anschluss der Sanierung unter weitgehender Vermeidung nennenswerter Streckensperrungen ausgeführt werden könne.
Politisch beschlossen ist der zweigleisige Ausbau schon lange. Das Vorhaben ist seit Jahren im „Vordringlichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplans 2020 enthalten – aus gutem Grund: Der Ausbau der Siegstrecke ist – in Verbindung mit dem planerisch begonnenen Ausbau der Ruhr-Sieg-Strecke – die am schnellsten und effizientesten umzusetzende Entlastungsmaßnahme für den seit vielen Jahren überlasteten Mittelrheinkorridor.
„Neben den Belangen der zahlreichen Pendler und Unternehmer sehen wir durch diese Frage nicht zuletzt auch die Glaubwürdigkeit der DB InfraGO und der politischen Entscheidungsträger berührt“, erklären die Absender des Schreibens. Prognosen sähen für die kommenden Jahre einen beträchtlichen Zuwachs im Güterverkehr voraus, für den Kapazitätsausweitungen unvermeidlich würden. Mit dem vergleichsweise überschaubaren Aufwand für den zweigleisigen Ausbau der Siegstrecke würde eine durchgreifende Entlastung erzielt, die zudem die Resilienz des Schienenverkehrsnetzes stärke.
Hinzu kommt: Bundestag und Bundesrat haben ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für Investitionen in Infrastruktur und die Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 in Höhe von 500 Mrd. € auf den Weg gebracht. Davon hat die DB InfraGO bereits einen Eigenbedarf in Höhe von 150 Mrd. € für die Durchführung der Generalsanierung hinterlegt. „Auch vor diesem Hintergrund halten wir es für schlichtweg nicht vermittelbar, wenn der vordringlich zweigleisige Ausbau der Siegstrecke nunmehr ausgespart und nicht umgesetzt würde“, betonen die Vertreter der Region.
Zu den Unterzeichnern gehören neben den Industrie- und Handelskammern Köln, Bonn/Rhein-Sieg, Koblenz und Siegen die Landräte der Kreise Siegen-Wittgenstein, Olpe und Altenkirchen, der DGB (Region Südwestfalen), die Arbeitgeberverbände Siegen-Wittgenstein, der Arbeitgeberverband für den Kreis Olpe, die IG Metall Olpe, die IG Metall Siegen, ver.di Südwestfalen, die Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd sowie die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, die Hessische Landesbahn, der Zweckverband SPNV RLP Nord und die KSW Kreisbahn Siegen-Wittgenstein.

Hintergründe: Ausbau der Siegstrecke

Zweigleisigkeit „vordringlich“ im Bundesverkehrswegeplan
Die Beseitigung der abschnittsweisen Eingleisigkeit ist - zusammen mit weiteren Ausbaumaßnahmen der Siegstrecke – im Rahmen der Maßnahme „Korridor Mittelrhein: Zielnetz I“ dem Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes zugeordnet. Der bildet die Grundlage für die Verkehrsinfrastrukturpolitik des Bundes für einen Zeitraum von etwa 10-15 Jahren. Er wird als Regierungsprogramm vom Bundeskabinett beschlossen und bildet die Basis für den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung der Ausbaugesetze für Straßen und Schiene mit den zugehörigen Bedarfsplänen. Der Bundestag beschließt über die Aufnahme der Projekte im Bundesverkehrswegeplan in die Bedarfspläne der Ausbaugesetze. Seit deren Verabschiedung im Jahr 2016 liegt somit ein verbindlicher Beschluss vor, welche Verkehrsinfrastrukturprojekte mit welcher Dringlichkeit geplant und aus dem Bundeshaushalt finanziert werden sollen.
Vorangegangen war im Vorfeld der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplanes eine Studie im Auftrag der IHK Siegen. Sie untersuchte, mit welchen Ausbaumaßnahmen die Ruhr-Sieg-Strecke (Hagen – Gießen) und die Siegstrecke (Köln/Troisdorf – Siegen) für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet werden konnten. Dabei wurden die verkehrliche Bedeutung, der Ausbauzustand und Entwicklungsperspektiven betrachtet und nur solche Maßnahmen in Erwägung gezogen, die einem im Verhältnis zu den Kosten ausreichenden Nutzen erwarten ließen. Ein zentrales Ergebnis: Für Maßnahmen, die ausschließlich dem Schienenpersonenverkehr dienen, wird kein ausreichendes Nutzenpotenzial erwartet. Dagegen besteht ein großes Nutzenpotenzial für Ausbaumaßnahmen zugunsten des Schienengüterverkehrs, von dem nicht nur durchlaufende Verkehre, sondern auch der regionale Güterverkehr profitieren. Zudem kamen die Gutachter zu dem Schluss, dass „ein Ausbau eine (Teil-)Lösung für das überlastete Mittelrheintal darstellen“ kann. Abschließend lautete die Empfehlung der Experten, die abschnittsweise bestehenden oder erwarteten kapazitiven Engpässe zu beseitigen und im gesamten Streckenverlauf Lärmschutz entsprechend der für Ausbaumaßnahmen vorgeschriebenen Lärmvorsorge vorzusehen.
Entgegen der Expertenempfehlung lehnen die regierenden Vertreter von CDU und DIE GRÜNEN im Rhein-Sieg-Kreis einen Ausbau der Siegstrecke für den Güterverkehr ab. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Eine Optimierung der Siegstrecke ist so zu planen, dass sie der Verbesserung des Personenverkehrs dient und durch den Ausbau nicht vermehrt für den Güterverkehr genutzt wird.“ Der Vertrag ist überschrieben mit „Rhein-Sieg-Kreis 4.0 - #klimaschutz #nachhaltig #digital #mobil #sozial #heimat“.
Hendrik Wüst: Ausbau wird seitens des Landes unterstützt
Seit der Eröffnung des Südwestfalen Container-Terminals in Kreuztal 2018 steht der verladenden Wirtschaft in der Region eine leistungsfähige Umschlaganlage für Container, Wechselbrücken und Sattelauflieger im kombinierten Verkehr ortsnah zur Verfügung. Rund 10,5 Mio. € hatte die KSW Kreisbahn Siegen-Wittgenstein in die Anlage investiert, der Bund hatte das Projekt mit 7,54 Mio. € unterstützt. Die Siegstrecke spielt eine wichtige Rolle in der Anbindung des Terminals. Ihr Ausbau könnte den kombinierten Verkehr stärken und damit unmittelbar dafür sorgen, dass mehr Güter über die Schiene transportiert werden.
Im Sommer 2021 veröffentlichte das Bundesverkehrsministerium eine Infrastrukturliste zur Verwirklichung des „Deutschlandtaktes“, in der die Wiederherstellung der durchgängigen Zweigleisigkeit jedoch nicht enthalten war. Im selben Jahr kam es zu einem folgenschweren Zwischenfall, als ein Fels im Bereich Loreley abrutschte und Europas meistbefahrene Güterzugstecke zwischen Genua und Rotterdam blockierte. Zahlreiche Güterzüge wurden über die Siegstrecke umgeleitet. Hendrik Wüst, seinerzeit NRW-Verkehrsminister, erklärte daraufhin, das Land sehe den zweigleisigen Ausbau nicht nur als einen Baustein, um mehr Schienengüterverkehr von der Mittelrheinstrecke auf die Siegstrecke zu verlagern und weitere Trassen zu entwickeln, sondern auch, um für das System Schiene eine höhere Resilienz zu schaffen. Ein Ausbau im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes werde seitens des Landes unterstützt.
Deutsche Bahn kündigt Generalsanierung ab Dezember 2026 an
DB INfraGO hat für Maßnahmen im Rahmen einer Generalsanierung eine Vollsperrung der Siegstrecke vom 11. Dezember 2026 bis zum 9. Juli 2027 angekündigt. In dieser Zeit sollen umfangreiche Arbeiten an der Infrastruktur durchgeführt werden. Dazu gehören die Erneuerung mehrerer Eisenbahn- und Straßenüberführungen sowie Arbeiten an den Verkehrsstationen Brachbach, wo ein barrierefreier Umbau vorgesehen ist, in Eiserfeld, Hennef, Merten und Blankenberg. Von diesen Maßnahmen verspricht sich die Deutsche Bahn eine höhere Zuverlässigkeit und verringerte Störanfälligkeit. Vor allem geht es aber darum, die Strecke als Umleitungsstrecke für die Generalsanierung des „Hochleistungsnetzes Linker Rhein“ zu ertüchtigen.

