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Änderungen im Kaufrecht ab 2022

In Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771, "WKRL") hat der Bundestag das Kaufrecht mit Wirkung zum 01.01.2022 tiefgehend verändert. Händler müssen sich auf neue Regelungen einstellen. Hier eine Übersicht über die wichtigsten Neuerungen und Änderungen:

Neue Vertragsart: Der Verbrauchervertrag über digitale Produkte

Mit dem „Verbrauchervertrag über digitale Produkte“ – geregelt in den neu eingefügten §§ 327 ff. BGB n.F. – entsteht eine neue Vertragsart. Hierbei geht es um Verträge, die die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen („digitale Produkte“) zum Gegenstand haben.

Da es hierfür auch eigene Gewährleistungsrechte gibt, ist in Zukunft bei Verbraucherverträgen eine Abgrenzung von

  • rein digitalen Produkten nach § 327 BGB n.F. (z.B. PC-Programme, Video-, Audio- und Musikdateien, Social-Media- und Messenger-Dienste, Plattformen, Datenbanken),
  • Waren mit digitalen Elementen (z.B. Kühlschrank mit smarter Funktion, Saugroboter) und
  • „analogen“ Waren

erforderlich.

Bei rein digitalen Produkten richtet sich die Gewährleistung nach den neu eingefügten §§ 327 ff. BGB, während bei „Waren mit digitalen Elementen“ eine Aufspaltung der Gewährleistungssysteme je nach betroffenem Produktteil erfolgt: Wird z.B. gemeinsam mit einem Kaufvertrag über einen Fernseher auch die Bereitstellung eines Streamingdienstes vereinbart, finden auf den Fernseher die Regelungen des „normalen“ Kaufrechts Anwendung, auf die Bereitstellung des Streamingdienstes hingegen die Regelungen zu digitalen Produkten.

Eine solche Aufspaltung der Gewährleistungsrechte findet grundsätzlich jedoch nur dann statt, wenn die Ware ihre Funktion auch ohne das digitale Produkt erfüllen kann. So kann z.B. ein Kühlschrank mit smarter Funktion zum Nachbestellen von Lebensmitteln seine Grundfunktion (Kühlen) auch dann erfüllen, wenn die (digitale) Smartfunktion defekt ist, ein Saugroboter ist dagegen bei fehlerhaftem Betriebssystem nutzlos.

 

Aktualisierungspflicht für Tablet, Smartwatches, Navis und Co

Völlig neu ist eine Aktualisierungs-/Updateverpflichtung des Verkäufers für eben jene „Produkte mit digitalen Elementen“. Hierunter fallen zum Beispiel ?Tablets, E-Bikes, Autos, intelligente Armbanduhren, Navigationssysteme, Waschmaschinen u.a..

Stellt der Verkäufer (!) hierfür keine Updates bereit, ist dies zukünftig ein Sachmangel der Ware, den der Käufer reklamieren kann. Denn Elektronikprodukte wie Smartphones oder Tablets funktionieren nur einwandfrei und sicher, wenn auch die dahinterliegende Software auf dem neuesten Stand ist. Die Aktualisierungspflicht soll zudem sicherstellen, dass die Technik auch dann noch funktioniert, wenn sich das digitale ?Umfeld – zum Beispiel die Cloud-Infrastruktur – ändert.

Der Verkäufer schuldet alle „funktionserhaltende“ Aktualisierungen und muss den Verbraucher/Käufer auch über die anstehende Aktualisierung informieren. Der Händler ist aber nicht dazu verpflichtet, verbesserte Versionen der digitalen Elemente (Upgrades) zur Verfügung zu stellen, es sei denn, es wurde mit dem Kunden vertraglich vereinbart.

Für welchen Zeitraum nach dem Kauf der Ware der Verkäufer die Pflicht zur Aktualisierung hat, ist gesetzlich nicht geregelt. Letztlich wird die Rechtsprechung diese Frage klären müssen. Anhaltspunkte können Werbeaussagen, die zur Herstellung der Kaufsache verwendeten Materialien, der Preis und Erkenntnisse über die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer ("life-cycle") sein. Es gilt jedoch in jedem Fall ein Mindestzeitraum von 2 Jahren Aktualisierungspflicht ab Gefahrübergang.

Der Händler muss die Aktualisierungen nicht zwingend selbst zur Verfügung stellen, sondern kann sie durch vertragliche ?Regelungen an seinen Lieferanten oder den Hersteller delegieren. Dennoch ist zu vermuten, dass der Handel sich ?verstärkt auf Kundenbeschwerden in Bezug auf tatsächlich oder vermeintlich fehlende ?Aktualisierungen einstellen muss.

 

Ein neuer Sachmangelbegriff für alle Kaufsachen

In der Praxis kommt es recht häufig zu Streitpunkten, wenn sich ein Kunde an einen Händler wendet, weil die Ware seiner Meinung nach mangelhaft ist. Hier gilt es dann oft zu klären, ob hier wirklich ein solcher Mangel vorliegt. Dies regelt § 434 BGB.

Aktuell heißt es dort, eine Sache sei frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet oder sich für die gewöhnliche Verwendung eignet, und eine erwartbare übliche Beschaffenheit aufweist.

Durch die Gesetzesreform ist eine Ware zukünftig mangelfrei, wenn diese den subjektiven und objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht.

Eine Ware ist danach subjektiv mangelfrei, wenn sie

  • die vereinbarte Beschaffenheit hat,
  • sich für die dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und
  • mit dem im Vertrag vereinbarten Zubehör und mit Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.

Zur Beschaffenheit gehören dabei die Merkmale von Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale.

Eine Ware ist objektiv mangelfrei, wenn diese

  • sich für die gewöhnliche Verwendung eignet sowie
  • eine übliche erwartbare Beschaffenheit aufweist und
  • mit Zubehör einschließlich Verpackung, Montage- oder Installationsanleitungen sowie anderen Anleitungen übergeben wird, die der Käufer erwarten kann.

Für die übliche Beschaffenheit wird dabei Menge, Qualität und sonstige Merkmale einer Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit herangezogen.

Die Ware muss zudem den Montageanforderungen entsprechen, also fachkundig montiert sein.

Mit dieser Änderung wird der Mängelbegriff deutlich erweitert und konkretisiert.

 

Verkauf von B-Ware, gebrauchter Ware, Vorführgeräten oder Ausstellungsstücken:

Hier reicht die Produktbeschreibung oder die Ausschilderung als B-Ware nicht mehr aus. Zukünftig muss der Käufer vor der Abgabe seiner Vertragserklärung "eigens" davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass es sich um B-Ware, ein Ausstellungsstück o.ä. handelt und dies im Kaufvertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart werden (nicht ausreichend: Regelung über AGB oder Formularvertrag).

 

Unabhängig von der Art des Produkts werden Gewährleistungsrechte von Verbrauchern weiter gestärkt:

  • Fristsetzung bei Rücktritt, Minderung und Schadensersatz in vielen Fällen entbehrlich: Mit der Mitteilung eines Mangels durch den Verbraucher an den Verkäufer läuft eine (fiktive) „angemessene“ Frist (§ 475d I Nr. 1 BGB). Eine Fristsetzung für einen Rücktritt vom Vertrag oder der Geltendmachung von Schadensersatz wegen des Mangels ist nicht mehr erforderlich.
  • Ablaufhemmung bei der Verjährung: Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beim Warenkauf beträgt nach wie vor zwei Jahre ab Ablieferung der Sache. Neu sind aber zwei sogenannte Ablaufhemmungen: Bei einem Mangel, der sich innerhalb der regulären Gewährleistungsfrist gezeigt hat, tritt die Verjährung erst vier Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Wenn sich also bei einem gekauften PC erst im 23. Monat der Mangel zeigt, kann der Käufer seine Ansprüche beispielsweise noch bis zum 27. Monat nach Lieferung geltend machen. Das Problem: Für den Verkäufer ist kaum nachprüfbar, wann der Mangel sich tatsächlich gezeigt hat. Darüber hinaus sieht das Gesetz eine Ablaufhemmung vor, wenn der Unternehmer während der Verjährungsfrist einem geltend gemachten Mangel durch Nacherfüllung abhilft. In diesem Fall tritt die Verjährung von Ansprüchen wegen des geltend gemachten Mangels erst nach Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die nachgebesserte oder ersetzte Ware dem Verbraucher übergeben wurde. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass der Käufer nach Rückerhalt der Sache prüfen kann, ob durch die Nacherfüllung dem geltend gemachten Mangel abgeholfen wurde. Sichergestellt wird zudem, dass die Verjährung nicht abläuft, während sich die Kaufsache zur Nacherfüllung beim Verkäufer befindet.
  • Verlängerung der Beweislastumkehr: Wird Ware reklamiert, wird nun ein ganzes Jahr lang angenommen, dass der Sachmangel bereits vor der Übergabe der Sache, also beim Kauf vorlag. Früher galt diese Vermutung nur sechs Monate lang. Der Händler kann diese Vermutung widerlegen, wenn er beweist, dass der Schaden durch den Käufer verursacht wurde, was aber oft unmöglich sein dürfte. Durch die neue Regelung werden Gewährleistungsfälle zunehmen.
  • Verschärfungen bei Garantien: Garantieerklärungen müssen dem Verbraucher zukünftig auch ohne entsprechendes Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Es muss zudem deutlich werden, dass daneben bestehende gesetzliche Gewährleistungsrechte unberührt bleiben und deren Inanspruchnahme unentgeltlich ist.

 

Handelsunternehmen sind nun gefordert, die neuen gesetzlichen Regelungen in der Praxis umzusetzen.

Sinnvolle Maßnahmen sind:

  • Überprüfung und ggf. Aktualisierung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsmuster (neuer Sachmangelbegriff!)
  • Schulung des Verkaufspersonals
  • Anpassen des Beschwerdemanagements
  • Im Bereich der digitalen Produkte bzw. Sachen mit digitalen Elementen im Hinblick auf die Aktualisierungspflicht Klärung des Umfangs der Informations- und Lieferpflichten und deren Aufteilung zwischen Händler und Hersteller

Um Rechtsnachteile zu vermeiden, sollten die notwendigen Maßnahmen möglichst bis zum Inkrafttreten des neuen Kaufrechts am 1. Januar 2022 umgesetzt werden.

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Ansprechpartner

Tanja Wagener

Tel: 0271-3302150
Fax: 0271 3302400
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