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Nr. 080: Nachhaltigkeitsinformationen werden im Mittelstand noch nicht systematisch erfasst

23. November 2022 / „Die Erhebung von Nachhaltigkeitsinformationen gewinnt in zahlreichen mittelständischen Unternehmen an Bedeutung. Viele dieser Informationen müssen in Zukunft aufgrund der Vorgaben der EU veröffentlicht werden. Auch bei der Kreditaufnahme werden sie zunehmend wichtig. Dennoch werden insbesondere Emissionsdaten in vielen Unternehmen noch kaum systematisch erfasst“, berichtete die Siegener Professorin Friederike Welter, die zugleich Präsidentin des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn ist. Sie stellte die Folgen der neuen EU-Regulierung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für die mittelständische Wirtschaft beim Pressegespräch in der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) vor. Im Auftrag der Sparkassen und Volksbanken in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe sowie der IHK Siegen hatten Wissenschaftler des IfM Bonn die unmittelbaren und mittelbaren Effekte der EU-Regulierung zur Förderung der nachhaltigen Finanzierung für die mittelständische Wirtschaft untersucht sowie knapp 200 Unternehmen aus dem Siegener Kammerbezirk dazu befragt.

Roland Krebs, Vorstandsmitglied der Volksbank in Südwestfalen eG, betonte: „Die Auswirkungen der Regularien auf den Kreditzugang von kleinen und mittleren Unternehmen müssen bei der Umsetzung stärker berücksichtigt werden. Sonst geraten etliche Unternehmen in eine Kreditklemme.“ Dies bekräftigte auch Vorstand Burkhard Braach von der Sparkasse Siegen. Er forderte zudem, dass es einheitliche Standards geben müsse, in welcher Form und Tiefe die Nachhaltigkeitsinformationen an die Banken und Sparkassen weitergegeben werden müssen: „Andernfalls entsteht hier ein bürokratischer Wirrwarr, der nicht im Sinne der Wirtschaft sein kann.“

Die EU-Kommission und das EU-Parlament haben mit dem „Green Deal“ Vorgaben gemacht, um Wirtschaft und Klimaschutz in Einklang zu bringen. Bis 2050 soll damit eine wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft in der EU erreicht werden. Produkte und Produktionsprozesse sollen nachhaltiger werden, die Umstellung wird aktiv gefördert, indem Investitionen in diese Richtung gelenkt werden. Daraus folgen nun Regeln, die u. a. die öffentliche und private Kreditvergabe an Unternehmen an Kriterien der Nachhaltigkeit knüpfen. Die vorgestellte Untersuchung wurde beauftragt, um herauszufinden, wie die kleinen und mittleren Unternehmen der Region auf die EU-Vorgaben zur nachhaltigen Finanzierung reagieren und wie sie auf die Anforderungen vorbereitet sind.

Kurz gesagt: Der erwartete Aufwand für die Unternehmen ist erheblich. Um ihre Nachhaltigkeit zu dokumentieren, müssen sie etliche Informationen vorlegen. Das betraf bisher vor allem kapitalmarktorientierte Großunternehmen, wird sich jedoch absehbar auch auf weite Teile des Mittelstands auswirken. So werden ab 2025 Unternehmen bereits ab 250 Beschäftigten und mehr als 40 Mio. € Umsatz bzw. 20 Mio. € Bilanzsumme dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitsinformationen in ihrem Lagebericht zu veröffentlichen. Kapitalmarktorientierte Unternehmen sind ab 2026 in jedem Fall berichtspflichtig, hier gibt es nur für Kleinstunternehmen Ausnahmen. Die Berichterstattung umfasst etliche Kriterien, die sich auf den Anteil nachhaltiger Aktivitäten an Umsatz, Kapitalausgaben oder Betriebsausgaben ebenso beziehen wie auf Energiemenge und -mix, Emissionen und Meilensteine zur Klimaneutralität. Auch die Klimarisiken, die sich aus der Geschäftstätigkeit ergeben, müssen zukünftig berücksichtigt werden. IHK-Geschäftsführerin Sabine Bechheim lobte deshalb die Bemühungen der EU, vereinfachte Berichtstandards für kleine und mittlere Unternehmen durchzusetzen. „Bürokratische Hürden sind leider allzu oft das Ergebnis von EU-Regulierungen. Ausufernde Bürokratie jedoch behindert Investitionen und unternehmerische Entscheidungen. Deshalb ist es wichtig, zügig einheitliche, verständliche und leistbare Vorgaben zu machen. Darüber hinaus muss in Zukunft bei solchen Eingriffen der EU stärker darauf geachtet werden, welche Auswirkungen diese auf Unternehmen aller Größen haben.“

Die Untersuchung brachte zutage, dass fast jedes dritte Unternehmen bereits heute Verbrauchsdaten für Kunden bereitstellt bzw. eine entsprechende Anfrage angekündigt wurde. Insbesondere in der Industrie ist der aktuelle und zukünftige Informationsbedarf der Kunden mit 43,3 % der Unternehmen hoch. Dieser Informationsbedarf wird entlang der Lieferketten ebenso wie für Finanzierungen deutlich ausgeweitet, wobei 83 % der Unternehmen gerade der letzte Punkt noch nicht bewusst ist. Die Kriterien der nachhaltigen Entwicklung wirken sich sowohl auf die Bewertung des Kreditrisikos wie auch auf die von Kreditsicherheiten aus. Die Banken selbst unterliegen demnach einem Klima-Stresstest, den sie mittels Informationen zur Kreditvergabe umsetzen müssen. Die neuen Regeln stellen also Unternehmen wie Banken und Sparkassen vor enorme Herausforderungen.

Unmittelbar betroffen sind die zwei Drittel der Unternehmen, die in den kommenden drei Jahren Investitionen in mehr Nachhaltigkeit planen. Roland Krebs erläuterte die Zusammenhänge: „Diese Investitionen sollen auch über Bank- und Förderkredite finanziert werden. Das heißt, die verbesserte Nachhaltigkeit dieser Betriebe hängt entscheidend von guten Kreditzugängen und vernünftigen Kreditkonditionen ab. Diese Faktoren werden jedoch durch die Regulatorik teilweise negativ beeinflusst.“ Denn hierbei gebe es einen entscheidenden Webfehler, ergänzte Burkhard Braach: „Kredite an kleine und mittlere Unternehmen werden in der Nachhaltigkeitsbilanz einer Bank im Moment grundsätzlich negativ gewertet. Dieser Fehler muss zeitnah beseitigt werden, sonst drohen unnötige Kredithürden für diese Unternehmen.“ Damit würden Investitionen in nachhaltige Technologien für kleine und mittlere Unternehmen verhindert statt gefördert.

 

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Sabine Bechheim

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