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Nr. 073: Südwestfälische Wirtschaft schlägt Alarm: Vielzahl an Problemen zwingt Unternehmen immer mehr in die Knie

23. Oktober 2023/ Die Unternehmen in Südwestfalen sehen sich einer noch nie dagewesenen Dichte an Herausforderungen gegenüber. Die Folgen multipler Krisen sowie eine wachstumshemmende Bürokratie drücken auf die Stimmung der Unternehmer. Dies geht aus der aktuellen gemeinsamen Konjunkturbefragung der drei südwestfälischen Industrie- und Handelskammern Arnsberg, Hagen und Siegen hervor. An der Befragung haben sich im September 1.315 Unternehmen aus den drei IHK-Bezirken beteiligt.

Fünf Themen werden jeweils von mehr als der Hälfte der Unternehmen als konkrete Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung genannt: eine sinkende Inlandsnachfrage, im internationalen Vergleich drastisch höhere Energie- und Rohstoffpreise, der in Teilen gravierende Fach- und Arbeitskräftemangel, steigende Arbeitskosten und schwierige wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, insbesondere die überbordende Bürokratie. Angesichts dieser komplexen Problemlage bricht der IHK-Konjunkturklimaindex in Südwestfalen deutlich von 106 auf 81 Punkte ein. Die konjunkturelle Lage sei äußerst ernst. Einen ähnlich drastischen Rückgang habe es zuletzt nach Ausbruch der Corona-Krise und nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs gegeben. So kommentieren die drei IHK-Präsidenten Andreas Rother, Ralf Stoffels und Walter Viegener die Ergebnisse. Der Abschwung der südwestfälischen Wirtschaft, sowohl bei der Lage als auch bei den Erwartungen, habe strukturelle Ursachen. Immer mehr Unternehmen seien in ihrer Existenz gefährdet. 

Nur noch 21 % der Unternehmen sprechen aktuell von einer guten Geschäftslage, 30 % von einer schlechten. In den vergangenen zehn Jahren beurteilte nur zu Beginn der Corona-Krise ebenfalls eine Mehrheit die Lage negativ. Damals allerdings waren Teile des Handels, des Gastgewerbes und viele Dienstleister im Lockdown und die Industrie vermehrt in Kurzarbeit. Die südwestfälischen Betriebe blicken zudem mehrheitlich pessimistisch in die Zukunft. Der Saldo aus positiven und negativen Erwartungen stürzt auf minus 27 Punkte ab. Infolgedessen halten sich die Unternehmen bei den Investitionen und bei den Einstellungen deutlich zurück. Ralf Stoffels, Präsident der SIHK zu Hagen: „Der Wirtschaft werden die Daumenschrauben immer fester angezogen. Zum einen rauben uns Inflation und eine unsichere Weltwirtschaftslage mit zahlreichen globalen Konflikten jegliche Dynamik. Andererseits sehen wir uns mit einer ausufernden Bürokratie, zunehmenden Belastungen durch hohe Steuern und Abgaben sowie keinen gleichmäßigen und fairen Energiekostenzuschüssen konfrontiert. So entsteht ein klarer Wettbewerbsnachteil im internationalen Vergleich, wodurch der Wirtschaftsstandort Deutschland und vor allem die Industrieregion Südwestfalen zunehmend an Attraktivität verlieren.“

Insbesondere die heimische Industrie sieht derzeit kein Land. Die Anzahl der Betriebe, die ihre Lage als gut bezeichnen, hat sich halbiert. 41 % gehen von einer weiteren Verschlechterung ihrer Geschäfte aus. Walter Viegener, Präsident der IHK Siegen: „Der Auftragseingang sinkt – und mit ihm die Zuversicht. Die Inlandsnachfrage befindet sich im Sinkflug. Die Stimmung hat sich merklich verdüstert, und das nahezu überall. Wir reden über Dekarbonisierung, die Unternehmen empfinden es jedoch als Deindustrialisierung.“ Wer aber nicht mehr investiere, glaube perspektivisch auch nicht an die Wettbewerbsfähigkeit seiner eigenen Produkte und seines Standortes. Dies werde vor allem bei der Lage am Bau deutlich, die in Teilen schlimm sei. Walter Viegener: „Die Baukosten steigen, die Zinsen ebenfalls. Statt in dieser Lage über noch mehr Vorschriften, die das Bauen teurer machen, zu diskutieren, sollte die Regierung Neubauten mehr fördern und die Standards reduzieren. Das brächte Aufträge, steigerte die Zuversicht und reduzierte weiteren Frust, den man allenthalben mit Händen greifen kann.“

In den anderen Wirtschaftszweigen ist die Perspektive nicht wesentlich besser. Bei den Dienstleistern bewerten zwar noch mehr Firmen ihre Lage positiv als negativ, doch blickt fast ein Drittel in eine düstere Zukunft. Drei Viertel der Dienstleistungsbetriebe sehen im Fachkräftemangel eine Gefährdung für die wirtschaftliche Entwicklung. Bereits jetzt können 70 % der Dienstleister offene Stellen längerfristig nicht besetzen. Sowohl den Einzel- als auch den Großhandel belastet eine zunehmende Kaufzurückhaltung. Über 40 % aller Händler gehen von schlechteren Geschäften aus, demgegenüber rechnen nur etwas mehr als 10 % mit besseren. Die Lagebeurteilung des Verkehrsgewerbes verbessert sich im Vergleich zum Frühjahr leicht. Allerdings geben 43 % eine angespannte Finanzlage an, so viele wie in keiner anderen Branche. Mit 40 % positiven Rückmeldungen beurteilt derzeit das Gastgewerbe seine Lage von allen Branchen am besten. Dennoch gefährden der Fachkräftemangel und die hohen Kosten für Arbeitskräfte sowie für Energie und Rohstoffe die wirtschaftliche Entwicklung von fast 75 % der Betriebe. Nahezu ein Drittel erwartet in den nächsten Monaten schlechtere Geschäfte, nur 15 % bessere. Andreas Rother, Präsident der IHK Arnsberg, Hellweg-Sauerland: „Händler und Dienstleister blicken mit Sorge auf die Inflation. Im Verkehrssektor ziehen die Kosten durch die Mauterhöhung ab 1. Dezember – also zur Unzeit – weiter an. Das Gastgewerbe fürchtet, durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 % Kunden zu verlieren. Und nicht nur die Händler sorgen sich um die Kaufkraft von Verbrauchern und gewerblichen Kunden. Die Politik heizt die Probleme mit zusätzlicher Bürokratie weiter an. Ein Beispiel: Wenn ein mittelständisches Taxi-Unternehmen mit nur 65 Mitarbeitern eine zusätzliche Vollzeitstelle in der Verwaltung schaffen muss, um die bürokratischen Pflichten zu erledigen, wird deutlich, wie die Bürokratie zusätzliche Kosten verursacht.“

Die Zuversicht der Wirtschaft auf einen schnellen Aufschwung schwinde, während die Belastungen kontinuierlich zunähmen. Nie zuvor seien die allgemeinen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen von den Unternehmen als so großer Hemmschuh bewertet worden, betonen die drei IHK-Präsidenten. Die Ergebnisse der Konjunkturbefragung seien ein klarer Handlungsappell an die Politik. Ein Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik sei erforderlich. Allein durch eine grüne Transformation könne kein Wirtschaftswachstum garantiert werden. Nur mit einem zügigen Abbau der Bürokratie, insbesondere bei Planungs- und Genehmigungsprozessen, Steuererleichterungen, einer Ausweitung des Energieangebots und wettbewerbsfähigen Energiepreisen für alle Unternehmen könne ein dauerhafter Schaden für den Standort Südwestfalen verhindert werden, so die Forderung der drei IHKs. 

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Klaus Gräbener

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