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Nr. 067: IHK: Energiewende bleibt „auf der Strecke!" - Marode Straßen und Bürokratie-Chaos bei Schwertransporten bereiten Sorgen

26.09.2022 | Mindestens 1.000 neue Windenergieanlagen sollen nach dem Willen der nordrhein-westfälischen Landesregierung bis 2027 neu errichtet werden. Ein ambitioniertes Ziel, dessen Erreichen jedoch durch Missstände in einem Bereich gefährdet wird, über den in politischen Kreisen gemeinhin nicht viel gesprochen wird: die Schwertransporte. „Kaum jemand weiß, dass rund 80 genehmigungspflichtige Schwertransporte für eine einzelne Windenergieanlage erforderlich sind“, erläutert Klaus Gräbener von der IHK Siegen. Wenn man sich anschaut, mit welchen Widrigkeiten es die Disponenten in den produzierenden Betrieben und Speditionen tagtäglich bei jedem einzelnen Transport zu tun haben, fällt es schwer zu glauben, dass die politisch gesetzten Ausbauziele erreicht werden können - um es sehr zurückhaltend zu formulieren“, betont der Hauptgeschäftsführer.

Die Region Südwestfalen bietet für den Ausbau klimafreundlicher Energien durchaus Potenzial. Das betrifft unter anderem Windenergieanlagen und den Aufbau einer Wasserstoffindustrie, für die Pipelines und Druckbehälter benötigt werden. Der heimische Wirtschaftsraum zählt viele Unternehmen, die hierfür ihre Kompetenzen einbringen können. Für den Transport der Produkte indes sind Schwertransporte und damit ein leistungsfähiges Straßennetz unentbehrlich. Genau hier liegen die Probleme. „Wir wissen inzwischen kaum noch, wie wir die großen und schweren Teile überhaupt aus der Region bekommen sollen. Nach dem Komplettausfall der A45 ist die A4 Richtung Köln unsere Nabelschnur. Sie hängt am seidenen Faden, seitdem eine Brücke bei Untereschbach vor wenigen Tagen für Transporte über 78 Tonnen gesperrt werden musste. Marode Brücken und Straßen sperren uns in der Region geradezu ein“, beschreibt Fabian Jung von der Spedition Bender GmbH die katastrophale Situation. 

16 Mio. Blatt Papier für den Transport von Windanlagen

Hinzu kommt, dass die Transporte für die Speditionen zeitlich und finanziell kaum noch kalkulierbar sind. Nach jahrelanger Diskussion wurde zuletzt eine neue Gebührenordnung eingeführt, mit der die Antragsbearbeitungsgebühren bundesweit einheitlich berechnet werden sollen. „Das Ergebnis ist, dass sich die Transportkosten vervielfacht haben und sich die Gebührenhöhe durch frei bestimmbare Kostenparameter dennoch von Kommune zu Kommune unterscheidet“, kritisiert Jörg Reichmann, Vorstand der Spedition STL Logistik AG. Bislang sei es mit beinahe jeder neuen gesetzliche Regelung zu einer „Verschlimmbesserung“ der Situation gekommen. Die Auflagendichte nehme kontinuierlich zu, jeder Bescheid bestehe aus einem rund 200 Seiten dicken Buch. „Alleine die Genehmigung nur der Transporte für 1.000 neue Windräder bedeutet Genehmigungsbescheide mit 16 Mio. Blatt Papier, einfache Ausfertigung, selbstverständlich ausgedruckt!“ 

IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer: „Es zeigt sich immer deutlicher: Die Schwertransporte werden zum Schlüsselfaktor für das Gelingen der Energiewende. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder, die politischen Entscheidungsträger nehmen dies zur Kenntnis und unternehmen jetzt alles, um die Rahmenbedingungen hierfür endlich zu verbessern. Oder man blendet das Thema weiterhin kraftvoll aus und schaut zu, wie ein klimapolitisches Ziel nach dem anderen gerissen wird.“

Die schlechte Ausgangssituation trifft die Hersteller hart. Zu den betroffenen Branchen in der Region gehören unter anderem der Maschinenbau, der Apparate-und Behälterbau, die Rohrherstellung, die Walzenproduktion und der Betonfertigteilbau. „Die Wettbewerbsfähigkeit ist einfach nicht mehr gegeben“, erläutert Klaus-Dieter Wolf, Robert Josef Wolf GmbH & Co. KG. „Fachkräftemangel, Energiekosten, Liefärkettenprobleme: Viele Probleme spitzen sich derzeit zu. Wenn wir unsere Produkte aber faktisch nicht mehr aus der Region bekommen, dann geht gar nichts mehr.“ Beispiele aus der Vergangenheit zeigten: Produktionen und Teilstandorte werden längst verlagert - meist in andere Bundesländer oder direkt ins Ausland. Dies dürfte unmittelbar Arbeitsplätze gefährden, fürchtet Hans-Peter Langer. Immerhin stünden in der gesamten Wertschöpfungskette für die Schwertransporte rund 10.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze alleine im heimischen IHK-Bezirk. Klaus-Dieter Wolf: „Besonders dramatisch wird sich der Abfluss von Kompetenzen, also von Ingenieurwissen, aus der Region auswirken. Das ist ein kritischer Faktor, der zu einer weiteren, dauerhaften Schwächung des heimischen Wirtschaftsraumes beitragen kann!“ 

Unternehmen dringend entlasten

Defizite werden vor allem im Genehmigungsverfahren gesehen. Je nach Länge und Aufwand müssen Unternehmen bis zu acht Wochen auf Genehmigungen warten. Brückenbauwerke müssen immer wieder auf das Neue statisch nachgerechnet und Schleppkurven in den Anträgen grafisch dargestellt werden. „Es gibt immer mehr Auflagen, obwohl sich an den Grundlagen nicht viel verändert“, stellt Michael Rüschoff von der Achenbach Buschhütten GmbH & Co. KG fest. Wenn für einen Transport fünf Begleitfahrzeuge zur Absicherung vorgesehen werden müssen, fragt man sich, ob hier der Mehrwert für die Sicherheit nach der Devise ‚viel hilft viel‘ berechnet wird. Fachlich begründbar ist das irgendwann jedenfalls nicht mehr, betont der erfahrene Versandleiter.

Der Zustand der Straßen und Brücken sei das eine, die mittlerweile absurde Bürokratie das andere gravierende Problem, so Hans-Peter Langer. Benötigt werde ein Netz verlässlicher Schwerlastrouten auf dem nachgelagerten Straßennetz nach dem Modell der Route von Wilnsdorf nach Duisburg und Gelsenkirchen, so lange die Autobahnbrücken noch nicht erneuert seien - und zwar länderübergreifend. Zudem müssten sowohl auf Landes- als auch Bundesebene schnellstmöglich Wege für einen „brutalen“ Bürokratieabbau für Großraum-und Schwertrabsporte ermittelt werden, die dann auch umgesetzt werden. 

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