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Die Vergabe öffentlicher Aufträge
Das öffentliche Auftragswesen behandelt die Beschaffung von Lieferungen und Leistungen sowie Aufträge über Hoch- und Tiefbauarbeiten durch die Verwaltung oder bestimmte Privatunternehmen ("Sektoren"). Es zielt ab auf eine wirtschaftliche Beschaffung unter sparsamer Verwendung von Haushaltsmitteln. Das Vergaberecht ist hierbei zweigeteilt: Erreicht das Auftragsvolumen ohne Umsatzsteuer die so genannten EU-Schwellenwerte, gelten die europäischen Wettbewerbsregeln, die in Deutschland im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) niedergelegt sind. Unterhalb der EU-Schwellenwerte regeln die Bundesländer die Vergabe öffentlicher Aufträge in ihrem jeweiligen Haushaltsrecht.
Ab dem 01. Januar 2020 betragen die Schwellenwerte
- Bauaufträge (alle Bereiche): EUR 5.538.000
- Liefer- und Dienstleistungsaufträge außerhalb des Sektorenbereichs: EUR 221.000
- Liefer- und Dienstleistungsaufträge der obersten und oberen Bundesbehörden: EUR 143.000
- Konzessionen (alle Bereiche): EUR 5.538.000
- Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Sektorenbereich und im Bereich Verteidigung und Sicherheit: EUR 443.000.
Die angegebenen Schwellenwerte sind Nettowerte ohne Umsatzsteuer.
Damit werden Beschaffungen zukünftig bereits bei geringeren Auftragswerten von EU-weiten Vergabeverfahren erfasst. Bei den sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen bleibt es bei der Wertgrenze von 750.000 Euro für öffentliche Auftraggeber und von 1.000.000 Euro für Sektorenauftraggeber.
I. Europäisches Wettbewerbsrecht - GWB
Aufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte müssen im Wege der öffentlichen Ausschreibung, bei der bestimmte formale Anforderungen und Fristen gelten, europaweit ausgeschrieben werden. Leitende Prinzipien sollen dabei nach § 97 Absatz 1 GWB Wettbewerb und Transparenz sein. Es gilt grundsätzlich ein striktes Gleichbehandlungsgebot für alle am Vergabeverfahren Interessierten. Nach § 97 Absatz 4 GWB sind mittelständische Interessen vornehmlich zu berücksichtigen. Aufträge müssen daher in Fach- und Teillose geteilt werden. Die bietenden Unternehmen müssen fachkundig und leistungsfähig sein (§ 122 Absatz 1 GWB). Weitere Anforderungen an die Auftragsausführung wie umweltfreundliche Produktionsverfahren, Frauenförderung etc. können von öffentlichen Auftraggebern gestellt werden, wenn sie in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und bereits in der Leistungsbeschreibung verlangt wurden. Darüber hinausgehende Anforderungen können nur in den durch Gesetz vorgeschrieben Fällen vorausgesetzt werden. Den Zuschlag erhält, wer das wirtschaftlichste Angebot abgibt. Das Vergabeverfahren ist im Einzelnen in den Vergabeord-nungen VgV und VOB/A geregelt. Oberhalb der Schwellenwerte sind diese Verfahrensvorschriften uneingeschränkt anzuwenden. Zudem ist das Vergabe- und Tariftreuegesetz NRW zu beachten.
Wettbewerbsregister
Seit dem 1. August 2017 gibt es ein bundesweites Gesetz zur Einführung eines „Wettbewerbsregisters“, das vom Bundeskartellamt geführt wird. In dieses Register werden rechtskräftige Verurteilungen, Strafbefehle oder bestandskräftige Bußgeldentscheidungen wegen bestimmter Delikte (s. § 123 Ab-satz 1 und 4 GWB) sowie Kartellrechtsverstöße und Verstöße gegen bestimmte arbeitsrechtliche Vorschriften (s. § 124 GWB) eingetragen. Vor einer Eintragung werden Unternehmen angehört und können Einwendungen machen. Ab einem Auftragswert von 30.000 Euro sind öffentliche Auftraggeber verpflichtet abzufragen, ob das Unternehmen, das den Zuschlag erhalten soll, eingetragen ist. Ein Eintrag führt zwar nicht automatisch zu einem Ausschluss, bei zwingenden Ausschlussgründen wird ein Eintrag jedoch regelmäßig einen Ausschluss zur Folge haben. Nach Ablauf bestimmter Fristen sind die Eintragungen zu löschen. Bereits vor Fristablauf können Unternehmen nach einer „Selbstreinigung“ die Löschung beantragen. Bevor das Wettbewerbsregister greifen kann, müssen zunächst noch die technischen Voraussetzungen geschaffen werden.
II. Landesrechtliche Regelungen
Bei Auftragsvolumen unterhalb der Schwellenwerte regeln landesrechtliche Vorschriften das Vergabeverfahren. Grundlage in NRW sind die Regelungen der Landeshaushaltsordnung bzw. die Gemeindehaushaltsverordnung, die durch so genannte Runderlasse der Landesregierung konkretisiert werden. Die Runderlasse verweisen dabei auf die VOL/A und VOB/A, erklären sie aber erst ab bestimmten Wertgrenzen für anwendbar. Je nach Höhe des Auftragsvolumens stehen der öffentlichen Hand drei verschiedene Verfahren zur Verfügung:
1. Öffentliche Ausschreibung
Bei der öffentlichen Ausschreibung muss das einzelne Beschaffungsvorhaben öffentlich bekannt werden. Es sollen möglichst viele Angebote abgegeben werden, so dass im uneingeschränkten Wettbewerb das wirtschaftlichste Angebot ermittelt wird. Das Verfahren der öffentlichen Ausschreibung stellt das Regelverfahren dar.
2. Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb
Bei einer beschränkten Ausschreibung (§ 10 UVgO) fordert der öffentliche Auftraggeber nur eine begrenzte Anzahl von Unternehmen direkt auf, ein Angebot abzugeben. Die Eignung der Bieter wird in einem vorgezogenen Teilnahmewettbewerb geprüft. Dieses Verfahren steht voraussetzungslos neben der öffentlichen Ausschreibung zur Verfügu
3. Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb
Im Rahmen der beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb (§ 11 UVgO) findet eine öffentliche Ausschreibung nicht statt. Stattdessen fordert der Auftraggeber ohne vorherige Durchführung eines Teilnahmewettbewerbs mindestens drei geeignete Unternehmer zur Abgabe eines Angebots auf. Dieses Verfahren kann nur dann vom Auftraggeber gewählt werden, wenn es nach § 8 Absatz 3 UVgO gestattet ist.
4. Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb
Die Verhandlungsvergabe gem. § 12 UVgO ersetzt die bisherige „Freihändige Vergabe“ ab und ist ein förmliches kooperatives Vergabeverfahren dar, in dem sich der Auftraggeber mit oder ohne Teilnahmewettbewerb an ausgewählte Unternehmer, um mit diesen über die Angebote zu verhandeln. Die Anwendungsvoraussetzungen der Verhandlungsvergabe finden sich in § 8 Absatz 4 UVgO.
Im Bereich der Bauleistungen stehen gemäß § 3 VOB/A drei Vergabeverfahren zur Verfügung. Neben der öffentlichen und beschränkten Ausschreibung mit oder ohne Teilnahmewettbewerb (siehe vorige Erläuterungen), kann auch eine Freihändige Vergabe erfolgen. Bei diesem Verfahren beteiligt der öffentliche Auftraggeber nur eine begrenzte Bieterzahl und ihm steht eine größere Formfreiheit zur Verfügung. Die Zulässigkeit der Verfahren richtet sich nach § 3a VOB/A.
III. Tariftreue- und Vergabegesetz NRW
Das Tariftreue- und Vergabegesetz NRW (TVgG NRW) wurde zum 30.03.2018 reformiert. Die bisher erforderlichen Verpflichtungserklärungen sind entfallen, stattdessen ist eine vertragliche Vereinbarung für die Einhaltung von Mindestarbeitsbedingungen notwendig. Das TVgG NRW ist ab einem geschätzten Auftragswert von 25.000 Euro ohne Umsatzsteuer (netto) bei der Beschaffung von Leistungen, die die Ausführung von Bauleistungen oder die Beschaffung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben, anzuwenden. Fällt die Erbringung der Leistung in den Geltungsbereich eines Tarifvertrags, so muss das beauftrage Unternehmen die in dem Tarifvertrag vorgesehenen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts gewähren. Bei allen anderen öffentlichen Aufträgen muss das beauftrage Unternehmen wenigstens ein Entgelt zahlen, das dem geltenden Mindestlohn entspricht. Der Bieter hat dafür zu sorgen, dass seine Nachunternehmer die Pflichten ebenfalls einhalten. Die öffentlichen Auftraggeber sind berechtigt Kontrollen durchzuführen, um die Einhaltung der oben genannten Pflichten zu überprüfen. Wird eine Pflicht verletzt, so stehen den Auftraggebern entsprechend der geltenden Vertragsbedingungen ein außerordentliches Kündigungsrecht sowie eine Vertragsstrafe zu.
IV. Präqualifikation - der einfache und rechtssichere Weg zum öffentlichen Auftrag
Nachweise und Erklärungen, die nach dem Tariftreue- und Vergabegesetz, der VOL/A oder der VOB/A beizubringen sind, können auch im Wege eines Präqualifikationsverfahrens erbracht werden. Die Präqualifikation ermöglicht es, im Rahmen einer vorgelagerten und auftragsunabhängigen Prüfung eine Zertifizierung zu erwerben, die den Bieter grundsätzlich davon entbindet, für jedes Gebot die erforderlichen Nachweise einzeln zu erbringen. Vielmehr genügt es, den Zertifizierungscode anzugeben bzw. eine Kopie des Zertifikats einzureichen. Für Nachweise und Erklärungen nach den VOL/A wird für NRW das Präqualifikationsverfahren zentral bei der IHK Mittlerer Niederrhein durchgeführt. Den weiterführenden Link und ein Merkblatt hierzu finden Sie rechts.
Für Zertifizierungen im Rahmen der VOB/A ist der Verein zur Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. zuständig (s. dazu http://www.pq-verein.de ).
Ist das Unternehmen/ der Bewerber in einem amtlichen Verzeichnis eingetragen, so wird seine Eignung gemäß § 48 Absatz 3 VgV vermutet. Ein öffentlicher Auftraggeber muss die Eintragung anerkennen, soweit ihm keine eigenen negativen Erkenntnisse vorliegen.
V. Rechtsschutz für Unternehmen
1. Oberhalb der EU-Schwellenwerte
Ein unmittelbarer Rechtschutz für Unternehmen besteht nur, wenn es sich um Ausschreibungen oberhalb der EU-Schwellenwerte handelt. In diesen Fällen kann der unterlegene Bieter einen Antrag auf Nachprüfung des Verfahrens bei den so genannten Vergabekammern stellen. In NRW sind die Vergabekammern bei den Bezirksregierungen angesiedelt, daneben existiert auch eine Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt. Welche Stelle für das Nachprüfungsverfahren zuständig ist, muss in den Vergabeunterlagen bekannt gemacht werden. Die Vergabekammer entscheidet darüber, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist. Zugleich ordnet sie geeignete Maßnahmen an, um die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern.
Die Vergabekammer stellt dem öffentlichen Auftraggeber den Antrag des Unternehmens zu. Die Zustellung bewirkt, dass der Auftraggeber den Zuschlag nicht erteilen darf, bis die Vergabekammer über den Antrag entschieden hat und die anschließende Beschwerdefrist von zwei Wochen abgelaufen ist. Einen bereits erteilten Zuschlag kann die Vergabekammer grundsätzlich nicht aufheben. Der Auftrag ist dann rechtsverbindlich vergeben. Dem unterlegenen Bieter bleibt dann lediglich, auf Ersatz des ihm durch die Verletzung von Vergabevorschriften entstanden Schaden zu klagen. Die Gebühr für das Verfahren bei der Vergabekammer beträgt mindestens 2.500 Euro, je nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit und dem damit verbundenen Aufwand.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer kann innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht erhoben werden. Der Vergabesenat beim Oberlandesgericht ist die einzige gerichtliche Instanz, die über Ansprüche nach § 97 Absatz 6 GWB entscheidet. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer, sodass der öffentliche Auftraggeber weiterhin an der Erteilung des Zuschlags gehindert ist.
2. Unterhalb der EU-Schwellenwerte
Unterhalb der EU-Schwellenwerte gibt es kein speziell geregeltes Nachprüfungsverfahren. Der Rechtsschutz richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln. Zuständig ist in aller Regel das Landgericht. Vor Zuschlagserteilung kann dort versucht werden, dem Auftraggeber im Wege einer einstweiligen Verfügung zu verbieten, den Zuschlag zu erteilen. Ein Anspruch darauf kann sich aus einer Verletzung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. Ist der Zuschlag schon erteilt, so bleibt dem übergangenen Bieter nur die Klage auf Ersatz seines Schadens. Der Schadensersatz umfasst den Aufwand, der ihm durch die vergebliche Bemühung um den Auftrag entstanden ist. Der Schadensersatz kann auch den entgangenen Gewinn umfassen, wenn der Bieter nachweist, dass ihm bei ordnungsgemäßem Ablauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
V. Sonstige Regelungen
Um zu verhindern, dass Unternehmen die Möglichkeit des Nachprüfungsverfahrens missbräuchlich in Anspruch nehmen, verpflichtet § 180 GWB die Unternehmen zum Ersatz desjenigen Schadens, der dem Auftraggeber oder einem anderen Beteiligten durch einen Missbrauch des Antrags- oder Beschwerderechts entstanden ist (sog. Missbrauchsklausel).
Hat der Auftraggeber gegen Vorschriften zum Schutz des Unternehmens verstoßen und hätte das Unternehmen anderenfalls bei der Wertung der Angebote eine echte Chance gehabt, den Zuschlag zu erhalten, kann das betroffene Unternehmen Schadensersatz für die Kosten der Vorbereitung des Angebots oder der Teilnahme am Vergabeverfahren verlangen. Bei entsprechenden Voraussetzungen kann auch der entgangene Gewinn als Schadensersatz geltend gemacht werden.
VI. Veröffentlichung von Ausschreibungen
Ein vollständiges Verzeichnis über öffentliche Aufträge gibt es nicht. Hinweise auf Ausschreibungen finden sich allerdings regelmäßig auf der europäischen Plattform TED, den Amtsblättern der Gemein-den und auf dem Online-Portal "NRW-Vergabemarktplatz" (https://www.evergabe.nrw.de).
Hier findet man auch die maßgeblichen Vergabe- und Preisvorschriften sowie Informationen zu den Vergabekammern und weiterführende Links.
