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Nr. 065: Arbeitskräftemangel und Energiepreise nehmen Wirtschaft in die Zange

13.09.2022 | Weite Teile der heimischen Wirtschaft sind in erheblicher Sorge wegen der Kostenexplosionen bei der Energieversorgung. Hinzu kommt der mittlerweile nahezu allgegenwärtige Mangel an Arbeitskräften. 63 % der Unternehmen in Industrie, Großhandel und Baugewerbe klagen derzeit über Fachkräfteengpässe. Bei 35 % aller Unternehmen sind diese derart gravierend, dass Aufträge abgelehnt werden müssen. „Das Geschäftsmodell zahlreicher heimischer Unternehmen wird gewissermaßen von zwei Seiten in die Zange genommen. Die einen haben pure Existenzängste. Sie befürchten, angesichts der durch die Decke gehenden Strom- und Gaspreise bereits in wenigen Wochen und Monaten über kein geeignetes Geschäftsmodell mehr zu verfügen. Die anderen erhalten Aufträge, die sie nicht abarbeiten können, weil ihnen das Personal fehlt“, kommentiert IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener die Ergebnisse einer aktuellen IHK-Blitzumfrage bei 206 Firmen.

Mittlerweile wären es auch nicht mehr allein Fach- und Führungskräfte, die Unternehmen suchten und nicht fänden. Nahezu jeder fünfte befragte Betrieb gebe bereits an, Schwierigkeiten bei der Besetzung von Arbeitsplätzen zu haben, die keine abgeschlossene Berufsausbildung erforderten. Dies verdeutliche, dass der Arbeitskräftemangel mitten in der heimischen Wirtschaft angekommen wäre, verdeutlicht IHK-Geschäftsführerin Sabine Bechheim: „Es ist zwar sehr erfreulich, dass in den vergangenen drei Monaten noch zahlreiche Lehrverträge abgeschlossen wurden. Wir hoffen daher, das Vorjahrsergebnis von 1.934 Lehrverträgen noch knapp erreichen zu können. Das ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass in Industrie, Handel, Dienstleistungen und Handwerk in Siegen-Wittgenstein und Olpe sicherlich zwischen 700 und 800 Lehrverträge mehr hätten geschlossen werden können, wenn es geeignete Bewerberinnen und Bewerber gegeben hätte.“

Dass man das vorhandene Potential an offenen Lehrstellen in der Region leider abermals nicht vollständig ausschöpfen konnte, hat nach Auffassung der IHK mehrere Ursachen. Zahlreiche junge Menschen seien angesichts der politischen und ökonomischen Dauerkrisen verunsichert und verzögerten ihre beruflichen Einstiegsentscheidungen. Der gesellschaftliche Drang zu abschlussbezogener Höherqualifizierung wäre zudem nahezu ungebrochen. Darüber hinaus habe die Berufsorientierung in den allgemeinbildenden Schulen durch Corona erheblichen Schaden genommen. Klaus Gräbener: „Im Ergebnis gibt es eben einen erklecklichen Teil junger Menschen, denen einfach das Interesse an einem beruflichen Einstieg fehlt. Wir stoßen bei ihnen mit der Botschaft, dass die betriebliche Erstausbildung vielfältige Chancen bietet, auf taube Ohren.“ Die rund 200 in der Statistik der Agentur für Arbeit enthaltenen noch unversorgten Lehrstellenbewerberinnen und -bewerber habe man am vorvergangenen Wochenende erneut eingeladen, um mit ihnen über hunderte noch offener Ausbildungsplätze und deren Besetzungsmöglichkeiten zu sprechen. Dass gerade einmal 10 Personen erschienen seien, verdeutlicht für Klaus Gräbener die Problemlage: „Mit immer größerem Kraftaufwand versuchen wir, einen immer kleineren Anteil junger Menschen für die offenen Ausbildungsplätze zu interessieren. Das ist mehr als deprimierend.“

Sabine Bechheim wies zugleich darauf hin, dass man an mehreren Stellschrauben drehen müsse, um den Arbeitskräfteengpässen in der Wirtschaft wirkungsvoll zu begegnen: „Es gilt, die Frauenerwerbstätigkeit noch weiter zu steigern. Hier haben wir in den vergangenen Jahren in der Region zwar Fortschritte gemacht und zahlreiche Initiativen ergriffen. Noch mehr wären jedoch sinnvoll und wünschenswert.“ Vor allem das Betreuungsangebot für den Nachwuchs müsse hierzu noch stärker ausgebaut werden. Nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft hätten allein im Jahr 2020 deutschlandweit 340.000 Plätze in Kindertagesstätten gefehlt. Dauerhaft werde auch an einer deutlichen Steigerung qualifizierter Zuwanderer kein Weg vorbeiführen, so Bechheim weiter. Jährlich seien bundesweit einige 100.000 qualifizierte Zuwanderer erforderlich, wenn man den hohen erreichten Beschäftigungsstand nur halbwegs halten wolle.

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