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Nr. 072: EU-Vorgaben zur nachhaltigen Finanzierung: IHK drängt auf Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und bürokratiearme Umsetzung

11. Oktober 2023/ „Der gesetzliche Rahmen für unternehmerisches Handeln wird in den kommenden Jahren massiv durch das politisch geforderte Gegensteuern gegen den menschengemachten Klimawandel bestimmt. Die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen muss dabei unbedingt gewährleistet bleiben!“ IHK-Vizepräsident Mark Georg warnt vor erheblichem Mehraufwand für Unternehmen und Banken. International tätige Unternehmen könnten ins Abseits geraten, wenn sie sich nicht frühzeitig auf die neuen Herausforderungen einstellen. 

Die EU-Kommission hatte im Sommer die sogenannten Delegierten Verordnungen zur EU-Taxonomie und zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verabschiedet. Bestehende finanzpolitische Regelungen werden hierdurch deutlich erweitert – mit entsprechenden Auswirkungen auf Unternehmen. Finanzmarktakteure müssen ihre Entscheidungen künftig immer stärker an Nachhaltigkeitsaspekten ausrichten. Ziel ist, Finanzströme in nachhaltig arbeitende Unternehmen und entsprechende wirtschaftliche Vorhaben zu lenken. „Europaweit werden mehrere hundert Milliarden Euro pro Jahr in den Übergang der Wirtschaftsbereiche zu einer Klimaneutralität investiert werden. Die Investitionen werden hierfür enorm steigen“, erläutert Rainer Dango, Vorsitzender des Außenwirtschaftsausschusses der IHK Siegen. Eine zentrale Rolle spiele daher die Kreditwirtschaft. „Einfach ausgedrückt: Es werden Kredite für wirtschaftliche Vorhaben nur dann an Unternehmen vergeben, wenn diese den festgelegten Nachhaltigkeitskriterien genügen.“ Die Maßnahmen der EU umfassen zum einen die unternehmerische Verpflichtung zur Berichterstattung und zum anderen die Offenlegungspflichten von Finanzdienstleistern. Herzstück der EU-Maßnahmen ist dabei die EU-Taxonomie-Verordnung – mit Zielvorgaben in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung („Governance“). Unternehmerische Berichtspflichten bestehen in diesem Jahr lediglich im Umweltbereich, und hier bislang nur in zwei von sechs vorgesehenen Zielen. Für weitere vier Umweltziele beginnt die Berichtspflicht im Jahr 2025. 

„Nachhaltigkeitsberichterstattung ist kein neues Thema für die Wirtschaft“, erläutert IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer. „Schon heute unterliegen ihr große Unternehmen von öffentlichem Interesse (etwa kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften, Banken oder Versicherungen), wenn sie mehr als 500 Mitarbeiter zählen.“ Mit der neuen EU-Direktive sind von der Berichtspflicht nunmehr unter anderem alle großen Kapitalgesellschaften oder ihnen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften, große Versicherungsunternehmen bzw. Kreditinstitute, kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen sowie Mutterunternehmen einer großen Gruppe erfasst. Zudem müssen die Berichte künftig nach verbindlichen EU-Standards erstellt und durch einen externen Prüfer geprüft werden. 

Kreditklemme auf dem Weg zur Nachhaltigkeit vermeiden

Hans-Peter Langer: „Waren bisher rund 500 Unternehmen in Deutschland von der Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffen, könnten es künftig 15.000 sein; alleine in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe gehen wir nach aktuellem Stand von 70 bis 100 Betrieben aus.“ Bisher galt die Pflicht vor allem für kapitalmarktorientierte Großunternehmen. Jetzt wird sie absehbar auch auf weite Teile des Mittelstands ausgeweitet. Ab 2025 sind dann Unternehmen bereits ab 250 Beschäftigten und mehr als 40 Mio. € Umsatz bzw. 20 Mio. € Bilanzsumme dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitsinformationen in ihrem Lagebericht zu veröffentlichen. Kapitalmarktorientierte Unternehmen sind ab 2026 in jedem Fall berichtspflichtig. Ausnahmen gibt es hier nur für Kleinstunternehmen. Aus Sicht der IHK gibt es noch unbeantwortete Fragen. Offen sei etwa, was es für Betriebe bedeute, wenn sie Kriterien nicht erfüllten, gibt Mark Georg zu bedenken. „Zu klären ist auch, wie der Übergang zur Nachhaltigkeit für Unternehmen finanziert werden kann, wenn die Kreditvergabe bis zum Erreichen des Ziels die Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllt. Es muss verhindert werden, dass die Betriebe in einer Kreditklemme landen, obwohl sie im gewünschten Sinne vorgehen.“ Kritisch sieht die IHK zudem den mit der Umsetzung einhergehenden bürokratischen Aufwand. Rainer Dango: „Gerade kleine und mittlere Betriebe sind auch als Bankkunden oder Zulieferer für große Unternehmen betroffen, können aber die erforderlichen Daten oft mit den bestehenden Kapazitäten überhaupt nicht bereitstellen. Auch die Kreditwirtschaft sieht sich einem Mehraufwand ausgesetzt, der womöglich gar zur Verteuerung der Dienstleistungen führt. Hier droht gewissermaßen ‚das Kind mit dem Bade ausgeschüttet‘ zu werden. Das EU-Parlament ist gut beraten, sich hier auf das Wesentliche zu konzentrieren. Weniger ist in diesem Fall mehr!“ 

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Ansprechpartner

Hans-Peter Langer

Tel: 0271 3302-313
Fax: 0271 3302400
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