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Nr. 023: Entwaldungs-Verordnung: IHK sieht bürokratische Überfrachtung für heimische Unternehmen

26. März 2024/ Bereits das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, dessen Wirkungsbereich der Gesetzgeber Anfang des Jahres auf Unternehmen ab 1.000 Mitarbeiter ausgeweitet hat, wirkt sich deutlich auch auf viele kleinere Betriebe aus. Sie sind in der Lieferkette häufig indirekt durch die Regelungen betroffen. Im Juni vergangenen Jahres trat eine rechtliche Regelung in Kraft, die effiziente Lieferketten zusätzlich erschwert: die EU-Entwaldungs-Verordnung. Die Erfahrungen mit dieser neuen Regelung standen im Mittelpunkt des „Zollcafés“ der IHK-Siegen, in dem regelmäßig heimische Unternehmensvertreter über Im- und Exportfragen beraten. 

Nach der Entwaldungs-Verordnung dürfen bestimmte Rohstoffe und Erzeugnisse nur dann in den EU-Markt ein- oder aus ihm ausgeführt oder darauf bereitgestellt werden, wenn sie nicht mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen. Betroffen sind Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja und Holz. Ziel ist unter anderem, die Wälder zu schützen und Treibhausgase zu senken. Verbände warnen längst davor, dass Ursprungsländer für bestimmte Produkte den Verwaltungsaufwand für angeforderte Nachweise nicht kurzfristig leisten können und hierdurch aus Sicht der Aufkäufer für den europäischen Markt ausfallen. Deutliche Preissteigerungen sind die wahrscheinliche Folge. Als neuralgischer Punkt erwiesen sich im Zollcafé die Auswirkungen auf Naturkautschuk – ein nachwachsender Rohstoff, der seit fast 200 Jahren zur Herstellung von Gummi verwendet wird. Auch die heimische Industrie ist vor diesem Hintergrund von der Entwaldungsverordnung erheblich betroffen: Schätzungen zufolge gehen rund 40 % aller Gummiprodukte auf Naturkautschuk zurück. 

Neben den Auswirkungen auf bestehende und künftige Handelsbeziehungen wird die Wirtschaft aus Sicht der IHK abermals durch erheblichen bürokratischen Aufwand belastet: Konkret müssen Unternehmen eine Sorgfaltserklärung vorlegen können, um zu bestätigen, dass sie die Verordnung einhalten. Hierdurch soll die Herkunft der Produkte detailliert zurückverfolgt werden können. „Wie so oft zeigt sich: Das Anliegen ist berechtigt, die Umsetzung jedoch überfrachtet die Unternehmen mit einem Maß an Anforderungen, das angesichts unzähliger weiterer, teils absurder Berichts- und Dokumentationspflichten praktisch längst nicht mehr zu bewältigen ist und bei vielen Betroffenen nur noch Kopfschütteln hervorruft“, hebt IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener hervor. „Von Entbürokratisierung kommt hier bei den Betrieben nichts, aber auch rein gar nichts an!“ 

Dabei wäre sie dringend nötig: Eine aktuelle Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigt: Um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa zu verbessern, muss die EU in erster Linie Bürokratie abbauen. 95 % (!) der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen sehen dies als Priorität an. An zweiter und dritter Stelle auf der Prioritätenliste folgen die Themen Energieversorgung (68 %) und Sicherheit (52 %). 

Drohende Handelsverbote und Bußgelder

Trotz der Umsetzungsprobleme sieht die EU eine Vielzahl von Sanktionen bei Verstößen vor. Wenn erforderliche Informationen in der Sorgfaltserklärung nicht zu beschaffen sind und nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Rohstoffe bzw. Erzeugnisse aus einem Land mit geringem Risiko stammen, ist von einer „unbekannten Herkunft“ auszugehen und es folgt ein Im- bzw. Exportverbot. „Zudem ist einmal jährlich eine Risikoanalyse vorgeschrieben“, ergänzt Jens Brill, Außenwirtschaftsexperte der IHK Siegen. Sofern Risiken erkannt würden, müssten „Risikominderungsmaßnahmen“ ergriffen werden. Andernfalls drohe ein Im- bzw. Export- sowie Handelsverbot. „Verstöße gegen die Verordnung können mit Bußgeldern von mindestens 4 % des unionsweiten Jahresumsatzes geahndet werden. Außerdem können die betroffenen Erzeugnisse sowie die damit erzielten Einnahmen entzogen werden.“ Auch ein vorübergehendes Verbot des Inverkehrbringens oder der Bereitstellung relevanter Rohstoffe bzw. Erzeugnisse ist möglich. „Ein öffentlicher ‚Pranger‘ ist ebenfalls vorgesehen“, erläutert Klaus Gräbener und verweist darauf, dass die Kommission sich das Recht vorbehalte, alle Unternehmen, gegen die Sanktionen verhängt wurden, öffentlich zu benennen. 

Für kleinere Unternehmen besteht bei der Entwaldungs-Verordnung eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2025. Jens Brill: „Betroffene Unternehmen sind gut beraten, zu überprüfen, ob ihre aktuellen Produkte weiterhin vermarktungsfähig sind. Außerdem empfiehlt sich, die Gesetzgebung regelmäßig auf Aktualisierungen zu kontrollieren.“

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Ansprechpartner

Jens Brill

Tel: 0271 3302-160
Fax: 02761 944-540
E-Mail

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