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Nr. 023: „Bürokratischer Offenbarungseid“ - Einzelhandel kritisiert staatliches „Hickhack“ um Vorgaben für Registrierkassen

12.03.2021 | „Dass der Staat konsequent gegen Steuerbetrug vorgehen will, ist verständlich. Wie dies geschieht, ist jedoch ein einziger bürokratischer Offenbarungseid!“ Mit harter Kritik reagiert IHK-Vizepräsident Jost Schneider (Walter Schneider GmbH & Co. KG) auf erneute Verzögerungen in der Umsetzung des sogenannten Kassengesetzes. Das verpflichtet Unternehmen, ihre elektronischen Registrierkassen seit 1. Januar 2020 mit einer „zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung“ (TSE) auszustatten. Dies soll dazu beitragen, Manipulationen an den Kassen auszuschließen. 

Jost Schneider: „Das Gesetz machte schon damals Vorgaben, die in der Praxis nicht zu erfüllen waren. Denn: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) kam mit der Erarbeitung der entsprechenden technischen Sicherheitsstandards nicht hinterher, sodass entsprechende Sicherheitsmodule nicht rechtzeitig am Markt verfügbar waren.“ Da das Gesetz aber bereits wirksam war, kündigte das Bundesfinanzministerium an, die fehlende Einrichtung bis zum 30. September 2020 „nicht zu beanstanden“. Diese Nichtbeanstandungsregelung ist in Nordrhein-Westfalen für cloudbasierte TSE-Lösungen bis 31. März 2021 verlängert worden, weil überhaupt keine zertifizierten Cloud-TSE-Lösungen verfügbar waren. Auch diese Frist droht nun nicht eingehalten werden zu können, denn das BSI hat in den noch laufenden Zertifizierungsverfahren weitergehende Anforderungen gestellt, die zu einer erneuten Verzögerung führen. 

Um zu vermeiden, dass Händler ihre Kassen nach dem 31. März nicht mehr einsetzen dürfen, rät die IHK, in diesen Fällen einen Antrag auf Fristverlängerung beim Finanzamt zu stellen. Allerdings: Die Fristverlängerung setzt eine besondere Härte im konkreten Einzelfall voraus. Deshalb muss der individuelle Sachverhalt beschrieben werden. „Die staatlichen Vorgaben kommen die Händler richtig teuer. Alleine die Umrüstung von Registrierkassen kann mit mehreren tausend Euro zu Buche schlagen. Um in der Bürokratieflut nicht unterzugehen, muss häufig ein Steuerberater hinzugezogen werden, der ebenfalls Geld kostet“, gibt Karsten Wolter (Kur Apotheke – Apotheker Karsten Wolter e.K., Bad Berleburg) zu bedenken. Es sei einfach ärgerlich, wenn Fristen gesetzt würden und gleichzeitig daran gearbeitet werde, dass diese nicht eingehalten werden könnten.

Henrik Enders (Maiworm Mode KG, Olpe) kritisiert den hohen bürokratischen Aufwand für die Unternehmen und die ständig neuen Vorgaben: „Das Hickhack ist inakzeptabel. Ausbaden müssen das wieder einmal die betroffenen Einzelhändler. Man hat den Eindruck, in bestimmten Kreisen wird vollständig ignoriert, dass viele von ihnen derzeit jeden Tag damit kämpfen, ihre Existenz zu retten. Die Händler haben im Moment fürwahr ganz andere Probleme.“ Mit der Umsetzung der technischen Sicherheitseinrichtungen gingen zudem mitunter hohe Kosten einher. „Man fühlt sich nicht gerade gut dabei, jeden Monat viel Geld ausgeben zu müssen, weil man von anderer Seite unter Generalverdacht gestellt wird!“ 

Die endlosen bürokratischen Kapriolen und die Schlechtgläubigkeit, die der Staat seit Jahren dem Einzelhandel entgegenbrächten, zerstörten zunehmend das Vertrauen in staatliche Regelungsmechanismen, kritisiert Jost Schneider: „Zunächst sorgt der Staat dafür, dass monatelang die Geschäfte geschlossen werden. Dann legt er milliardenschwere Überbrückungshilfen auf, die dem Handel das Überleben sichern sollen, aber nur tröpfchenweise ankommen. Schließlich wirft er denselben Handelsunternehmen dann noch bürokratische Knüppel zwischen die Beine. Das verstehe, wer will!“ 

Die IHK rät betroffenen Unternehmen dringend, ihren Cloud-TSE-Hersteller anzusprechen, um das weitere Vorgehen abzusprechen. Für die Beantragung einer Fristverlängerung stellt die Kammer eine Praxishilfe für Unternehmen mit Erläuterungen und Musterformulierungen zur Verfügung, die aus dem Onlineangebot der IHK (Seiten-ID: 2561) heruntergeladen werden kann.

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