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Nr. 079: „Wie ein Tsunami“: Arbeitsmarkt und Kreispolitik Themen beim „Olper Stammtisch“ der IHK

09.10.2020 | „Corona hat uns mit der Dynamik eines Tsunami überrollt. Mit der Pandemie schnellten die Arbeitslosenzahlen in die Höhe. Von einem Moment auf den anderen sah unsere Arbeit anders aus!“ Eindrucksvoll schilderte Daniela Tomczak beim „Olper Stammtisch“, wie die von ihr geleitete Agentur für Arbeit Siegen mit der Krise seit März umgegangen ist. Knapp 40 Unternehmensvertreter waren der Einladung der IHK Siegen in das Landhotel Sangermann in Oberveischede gefolgt, um sich unter anderem über die Beschäftigungssituation im Kreis Olpe zu informieren und auszutauschen.

Die statistischen Auswertungen zeigten zum einen, dass es schon im vergangenen Herbst, also vor Einsetzen der Corona-Krise, zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit gekommen sei. „Das deutet auf strukturelle Probleme hin, deren Auswirkungen durch Corona zwar massiv verstärkt, aber nicht verursacht wurden“, erläuterte Tomczak. Zum anderen machten die aktuellen Zahlen Hoffnung, dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt wieder entspanne. Dabei sei der Rückgang der Arbeitslosigkeit von August auf September im Kreis Olpe mit 6,8 % mehr als doppelt so deutlich ausgefallen wie im Landesdurchschnitt (3,3 %).

IHK-Präsident Felix G. Hensel gab zu bedenken, dass die Kosten der aktiven Arbeitsmarktpolitik erheblich gestiegen seien. „Alle Wohltaten von heute müssen von den Generationen von morgen geschultert werden. Eine Neuverschuldung von 219 Mrd. € in diesem und noch einmal fast 100 Mrd. € im kommenden Jahr sind beileibe kein Pappenstiel.“ Es sei daher kaum vorstellbar, dass künftig neue Belastungen für die Wirtschaft ausblieben. Hinzu kämen die Unwägbarkeiten in der Außenwirtschaft und neue Gesetzesvorhaben, wie das Unternehmensstrafrecht, die wirtschaftliches Handeln auszubremsen drohten, anstatt es gerade jetzt zu befeuern.  

„Ohne Kurzarbeit gäbe es deutlich mehr Arbeitslosigkeit“

Bewährt habe sich hingegen das Kurzarbeitergeld, unterstrich Daniela Tomczak. 19 Mrd. € lässt sich der Bund den Einsatz dieses arbeitsmarktpolitischen Instrumentes kosten. „Das ist gut angelegtes Geld. Ansonsten läge die Arbeitslosigkeit deutlich höher“, so die Leiterin der Agentur für Arbeit. Allerdings teilte sie die Auffassung, dass es besser gewesen wäre, das Kurzarbeitergeld schon frühzeitig verbindlich an Qualifizierungsmaßnahmen zu koppeln. „Wir stehen inmitten eines demografischen Wandels, eines Strukturwandels und einer zunehmenden Digitalisierung. Hier muss es Aufgabe der Agentur sein, die Betriebe zu begleiten und auch finanziell zu unterstützen.“

Leichte Entspannung zeichnet sich auf dem Stellenmarkt ab. Die Arbeitgeber im Kreis Olpe melden trotz der Krise wieder mehr Stellen. Allerdings: Auch die Zahl der Ausbildungsbewerber sinkt. Dies hänge mit der demografischen Entwicklung zusammen, aber auch mit dem verbreiteten Trend zu höheren Bildungsabschlüssen. Eine Entwicklung, die auch die IHK mit Sorge beobachtet. Hier befänden sich die Wirtschaftsorganisationen in einem gewissen Dilemma, erläuterte Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. In der öffentlichen Diskussion entstehe der Eindruck, die Wirtschaft ziehe nach dem Lockdown wieder kolossal an. „Das können wir nach unseren Erhebungen nicht in Gänze bestätigen, schon gar nicht in der Industrie. Für die Wirtschaftsorganisationen ist es ein Spagat, hier die richtige Tonlage zu treffen. Formulieren wir zu euphorisch, geben wir nicht das wieder, was die heimischen Unternehmen uns sagen. Gießen wir allerdings zu sehr Wasser in den Wein, leisten wir einen aktiven Beitrag dazu, dass junge Menschen sich von Industrieberufen abwenden. Und dies, obwohl gerade hier alle Perspektiven offenstehen.“

Fachkräfte und ÖPNV Zukunftsthemen für den Kreis Olpe

Optimistisch zeigte sich mit Blick auf den Kreis Olpe Theo Melcher. Der frische gewählte Landrat stellte einige seiner politischen Ziele für die nächsten Jahre vor. Dass der Landkreis seit über 200 Jahren „erfolgreich“ sei, habe einen wesentlichen Grund in der traditionell tiefen Verbundenheit zwischen Unternehmen und Mitarbeitern in Kombination mit dem sehr guten Ausbildungs- und Qualifizierungsangebot. Corona habe die Arbeit der letzten Monate bestimmt. Trotz fehlender Ressourcen sei es der Verwaltung dank engagierter Mitarbeiter gelungen, die Herausforderungen gut zu meistern. Mit Blick auf die kommenden Monate zeigte sich Theo Melcher besorgt: „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass die Pandemie uns noch richtig viele Probleme bereitet!“

Dabei stünde der Kreis auch vor anderen wichtigen Aufgaben. Es gelte, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Gesellschaft in das digitale Zeitalter finde. Dazu gehöre auch, diese Prozesse in den öffentlichen Behörden zu beschleunigen. „Wenn Genehmigungen für Industriegebiete 10 Jahre oder mehr brauchen und Jahre vergehen, bis über Windenergieanlagen rechtskräftig entschieden ist, dann ist das nicht zukunftsfähig. Dann müssen wir das ändern.“ Beim geförderten Ausbau des schnellen Internets liege der Kreis Olpe jetzt weit vorne. Es würden erhebliche Summen investiert, um möglichst viele Glasfaserhausanschlüsse in Gewerbegebieten und auch in Wohnlagen zu schaffen.

Zu den weiteren drängenden Aufgaben gehöre, die Fachkräfteversorgung für die heimische Wirtschaft sicherzustellen. Hier werde der Kreis das Augenmerk insbesondere darauf richten, die weichen Standortfaktoren zu verbessern. Die Willkommenskultur müsse ausgebaut und etabliert werden. Auch bei der künftigen Ausgestaltung des ÖPNV warteten viele Aufgaben. Das bisherige Angebot entspreche nicht mehr den Erwartungen der heutigen Zeit. Theo Melcher: „Hier müssen wir mit den Städten und Gemeinden ins Gespräch kommen, um Handlungsmöglichkeiten auszuloten. Klar ist: Wenn der ÖPNV attraktiver werden soll, wird er Geld kosten!“

 

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Klaus Gräbener

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