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Nr. 094: Mehrwertsteuer und Digitalisierung

04.12.2020 | Recht unterschiedlich bewerteten jetzt die Mitglieder des Einzelhandelsausschusses der IHK Siegen die Auswirkungen der Mehrwertsteuersenkung auf ihren Umsatz. Während in der Modebranche die als Konjunkturspritze gedachte Maßnahme ihre Wirkung verfehlte, traf sie in Möbelhäusern oder bei Händlern der Unterhaltungselektronik ins Schwarze. „Für unsere Branche ist das schlicht kein probates Mittel“, äußerte sich Henrik Enders von der Maiworm Mode KG in Olpe in der virtuellen Sitzung. „Letztlich ging es bei unseren Artikeln nur um ein paar Euro“, attestierte Thomas Weissner von der Leder Jaeger GmbH aus Siegen der Maßnahme „keine Effekte“. „Bei uns hat die Mehrwertsteuersenkung nur zu Mehrarbeit geführt“, resümierte Jörg Dornseifer von Dornseifers Frischemarkt. Bei 35.000 Artikeln im Sortiment hätten er und seine Mitarbeiter alle Hände voll zu tun gehabt – bei quasi null Wirkung. „Stattdessen hat die Senkung einen Preiskampf in der Lebensmittelbranche losgetreten.“

Selbst in der Autobranche erzielte sie laut Ausschussvorsitzendem Wolfgang Keller, Inhaber der Autohaus Keller GmbH & Co. KG, „nur einen kleinen Schub. Vor dem 1. Juli erfolgte eine Vollbremsung. Dann erfolgte immerhin eine Aufholjagd.“ Christian Bald von der Möbelhaus Heinrich Bald GmbH & Co. KG berichtete hingegen, dass die Senkung bei ihm einen spürbaren positiven Effekt hinterlassen habe. Allerdings gelte es, dies richtig einzuordnen. Denn die vorgezogenen Käufe, die die Kunden jetzt tätigten, blieben voraussichtlich bei der Rückkehr zur vollen Mehrwertsteuer aus.

Derzeit verschöben sich die Schwerpunkte der Käufe jedoch, gab Christian Bald dem Ausschuss ein kurzes Porträt über sein in dritter Generation geführtes Möbelhaus. Zwar seien Möbel selbstverständlich noch immer der Hauptanziehungspunkt eines Möbelhauses, inzwischen aber wären Küchen für mittelständische Möbelhäuser ein „wichtiger Kundenmagnet“ geworden. „Zwischen 30 und 50 Prozent des Umsatzes werden inzwischen durch Küchen erwirtschaftet“, zeigte er auf. Punkten könne ein kleines Familienunternehmen mit 50 Mitarbeitern hier vor allem durch Service wie Beratung und Aufbau. Ansonsten sei auf dem deutschen Möbelmarkt schwer Fuß zu fassen, die Konzentration sei hoch. „Im Jahr 2019 standen die Top-30-Händler für 66 Prozent des Branchenumsatzes“, sagte Bald. „Die Mitgliedschaft in einer Einkaufsgemeinschaft ist vor diesem Hintergrund unabdingbar.“

Zukünftige Herausforderungen sieht Christian Bald besonders in der voranschreitenden Digitalisierung. Bereits heute fließe ein Viertel des Werbebudgets in Online-Aktivitäten. Diese umfassen u.a. eine eigene Website, die derzeit als digitales Schaufenster für rund 850 Artikel ohne Kauffunktion fungiert. Dazu gehöre der Aufbau eigener Social-Media-Profile oder die Mitarbeit an einem bundesweiten Online-Shop über die Einkaufsgemeinschaft. Christian Bald: „Digitalisierung macht sich aber nicht nur in der Außenwirkung bemerkbar, sondern auch bei internen Prozessabläufen wie beispielsweise bei der Nutzung von Computer-Planungssystemen oder bei der Einführung von digitalen Systemen für die Tourenplanung.“

Ein Unternehmen, das dem 70 Jahre alten Möbelhaus Heinrich Bald GmbH & Co. KG in der Außenwirkung hilft, ist die mapAds GmbH. Das Start-up mit Sitz im Summit Siegen hat einen innovativen Marketingkanal für den stationären Handel entwickelt. Das Innovative ist eine selbstlernende künstliche Intelligenz (KI), erläuterten die beiden Geschäftsführer Daniel Schütz und Marius Ruhrmann. So nutzt mapAds die KI, um mehr Kunden in der unmittelbaren Nähe zu erreichen und diese in die Geschäfte zu führen. Dazu gibt es automatisierte Werbung auf Facebook, Instagram, YouTube etc. „Die KI sorgt dafür, dass die Angebote diejenigen Kunden erreichen, die sich auch wirklich für die jeweiligen Produkte interessieren“, versicherte Daniel Schütz den Ausschussmitgliedern. „Aufgrund bestimmter Keywords und demografischer Merkmale kann man gewisse Zielgruppen erreichen. Diesen Fakt nutzt unsere KI.“

Rund 20 namhafte Händler aus der Region zählen bereits zu den mapAds-Kunden. Und für die ist die Nutzung der mapAds-App kinderleicht, wie Juwelier Michael Grimm bestätigte. „Ich scanne jeweils nur die europäische Artikelnummer, sprich den EAN-Code, und schon ist das Produkt online. Der jeweilige Verkaufspreis kann jederzeit angepasst werden.“ Bereits heute greift die mapAds-Software auf 250 Mio. Produkte inkl. deren Fotos und Beschreibungen zurück – Tendenz rasant steigend. „Unsere Mission ist es“, erklärte Marius Ruhrmann, „mehr Konsumenten zurück in die Innenstädte zu führen, um so eine bessere Online-Alternative für den Handel aufzuzeigen.“ „Vielleicht gelingt Ihnen das noch vor dem Jahreswechsel“, spielte Wolfgang Keller auf die auslaufende Mehrwertsteuersenkung an. „Dann hätte die dem lokalen Einzelhandel vielleicht doch noch etwas mehr in der Breite genutzt.“

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