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Nr. 055: „Fahren auf Sicht muss aufhören!“ - Johannes Vogel MdB spricht vor IHK-Vollversammlung zur sozialpolitischen Agenda der FDP

15.6.2021 | „Bei den entscheidenden gesellschaftlichen Entwicklungen, Demografie, Dekarbonisierung und Digitalisierung, waren wir im Bund in den letzten zehn Jahren eindeutig nicht gut genug. Wenn das Politikkonzept darin besteht, auf Sicht zu fahren, ist das zu wenig!“ Johannes Vogel MdB, frisch gewählter stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP, sparte vor den Unternehmensvertretern in der Sommersitzung der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) nicht mit gezielter Kritik am derzeitigen Kurs der Bundesregierung in diesen Fragen. Allerdings beließ es der heimische Abgeordnete nicht dabei, sondern er erläuterte eigene neue inhaltliche Ansätze für eine „Agenda 2030“.

Eindringlich warnte der Politiker davor, Marktwirtschaft als Problem zu betrachten: „Wenn Konzerne bei uns, wie in manchen Kreisen gefordert, enteignet würden, gäbe es den Corona-Impfstoff von Biontech-Pfizer nicht!“ Und wer für eine Vermögensbesteuerung eintrete, den lade er gerne zu Firmenbesuchen in seinem Wahlkreis ein, um zu verdeutlichen, wo das Vermögen liege: „in den Unternehmen selbst.“ Johannes Vogel brach eine Lanze dafür, die Belastung von Unternehmen in den Mittelpunkt der Debatte zu rücken. „Keine Industrienation, mit Ausnahme Belgiens, belastet die Menschen steuerlich so sehr wie Deutschland.“

Um künftigen gesellschaftspolitischen Herausforderungen wirksam zu begegnen, sei es wichtig, neue arbeitsmarktpolitische und sozialpolitische Akzente zu setzen. Die Versäumnisse in der Digitalisierung müssten auch vor diesem Hintergrund aufgearbeitet und mit Blick auf künftige Herausforderungen entwickelt werden. „Es ist zu spät, wenn erst in einer Pandemie bemerkt wird, dass es eine Frage von Leben und Tod sein kann, ob noch Faxe verschickt werden müssen oder digitale Lösungen im Einsatz sind.“ Damit in Zusammenhang stünden durchaus arbeitsmarktpolitische Fragen: Entspricht ein angemessenes Arbeiten im Homeoffice den Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung? Passen die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit zu den neuen Herausforderungen in der Arbeitswelt? Hier sieht Johannes Vogel deutlichen Modernisierungsbedarf.

Einschneidend seien die Folgen der demografischen Entwicklung: Ab 2025 gingen die „Baby-Boomer“ in den Ruhestand, aber nicht nur sie alleine, betonte der Abgeordnete. „Häufig wird übersehen, dass bislang die schlimmsten Auswirkungen der demografischen Entwicklung durch die Binnenmigration in Europa abgefangen werden konnten, also durch Fachkräfte aus anderen EU-Staaten. Weil aber auch sie vor vergleichbaren demografischen Herausforderungen stehen, fallen diese Fachkräfte zusätzlich ab der übernächsten Legislaturperiode weg.“ Dies bedeute: Wenn Politik vorausschauend handeln wolle, müssten in der kommenden Legislaturperiode die grundlegenden Entscheidungen getroffen werden.

Einerseits müsse Deutschland im globalen Wettbewerb um Talente besser werden. Hierfür sei ein modernes Einwanderungsgesetz mit Punktesystem nach dem Vorbild Kanadas erforderlich. „Andererseits muss das Rentenmodell demografiefest aufgebaut werden.“ Die bislang diskutierten Möglichkeiten seien überschaubar und entweder nicht mehrheitsfähig („Rente mit 70“) oder nicht finanzierbar („Erhöhung des staatlichen Steuerzuschusses“, „Erhöhung des Rentenbeitrages“). Hier liege der Vorschlag der FDP für eine grundlegende Rentenreform mit einer „Gesetzlichen Aktienrente“ auf dem Tisch. „Nach schwedischem Vorbild könnte es damit gelingen, die Rentenversicherung und die Staatsfinanzen dauerhaft zu stabilisieren, erklärte der Sozialpolitiker. Aktienmärkte schwankten zwar kurzfristig, seien aber langfristig sicher. Passend für die Rente, meint Johannes Vogel: Immerhin gehe es bei der Altersvorsorge um langfristige Anlagen. Ebenso plädierte Vogel für einen flexiblen Renteneintritt. Es sei nicht mehr zeitgemäß, dass Politiker entscheiden, wann man in Rente geht.

Mit seinem Vortrag stieß der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende auf großen Zuspruch in der IHK-Vollversammlung. Harald Peter begrüßte den Ansatz, die absehbaren demografischen Herausforderungen rechtzeitig aufzugreifen, ausdrücklich. „Auch bei uns in Siegen-Wittgenstein und Olpe wird sich das bemerkbar machen, wenn schon in wenigen Jahren ein Fünftel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Hier würde ich mir auch von den Entscheidungsträgern in der Region mehr frühzeitige Konzepte wünschen!“

Der Vortrag habe etwas deutlich gemacht, was in diesen Tagen viel zu selten zu hören sei, lobte hingegen Dr. Theodor R. Gräbener (Dr. Theodor Gräbener GmbH): „Dass Wirtschaft nicht Teil der Probleme, sondern ihrer Lösungen ist. Die dargestellten konzeptionellen Ansätze zeigen, wie Herausforderungen begegnet werden kann, indem wirtschaftlicher Sachverstand ins Zentrum der Überlegungen gerückt wird.“ Auf die Frage, für wie realistisch er eine Unternehmenssteuerreform zur Entlastung der Betriebe halte, wollte sich der Redner nicht festlegen. Zu sehr hingen die Perspektiven vom voraussichtlich knappen Ergebnis der Bundestagswahl und der hieraus resultierenden Regierungskonstellation ab. Eine Zusicherung konnte Johannes Vogel aber geben: „Eine steuerliche Mehrbelastung von Betrieben wird es mit der FDP nicht geben!“

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