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Bruchwerk Theater: Für mehr Identität in Siegen

Text: Dr. Jeanne Boerkey, Fotos: Sascha Müller-Harmsen

Das Bruchwerk Theater ist ein besonderer Ort mitten in Siegen – eine Stätte der Begegnung und der Identifikation: „Wir wollen zeitgenössische Themen künstlerisch untersuchen. Unser Ziel ist, eine Bühne zu bieten, mit der sich alle identifizieren können“, verdeutlichen die drei Gründer Tim Lechthaler (Geschäftsführer), Milan Pešl (künstlerischer Leiter Schauspiel) und David Penndorf (künstlerischer Leiter Werkstatt).

Positiv blickt Lechthaler auf die Siegener Kulturlandschaft: „Hier geschehen aufregende Dinge. Das Apollo-Theater, das Kulturhaus Lÿz und die Siegerlandhalle sind als Gastspielorte etabliert und versorgen die Region mit einem vielschichtigen Programm. Daneben bieten private Initiativen Bürgern die Gelegenheit, sich darstellerisch auszudrücken.“ Dennoch sieht der Unternehmer weiteren Bedarf: „Eine professionelle freie Szene sucht man bisher vergeblich. Diese Lücke füllen wir durch das Bruchwerk Theater.“ Im Gegensatz zur Amateurszene, zu der Heimatvereine, Jugendtheater und studentisches Theater gehören, zeichnen für professionelles Theater Künstler verantwortlich, die dies beruflich in Vollzeit übernehmen und in ihrem Metier ausgebildet sind. Der Zusatz „frei" bedeutet in diesem Kontext, dass die Theater jenseits der städtischen Institutionen agieren. Milan Pešl sieht Vor- und Nachteile, denn „ein höheres Maß an künstlerischer Freiheit bedeutet auch weniger finanzielle Mittel. Deswegen bewegt sich die freie Szene in den meisten Fällen im Studiotheater-Bereich, mit maximal 300 Zuschauerplätzen.“ Auch wenn das Bruchwerk Theater unabhängig arbeitet, konnten die Verantwortlichen mit ihrem Konzept bereits einige Sponsoren akquirieren, die sich von der Begeisterung der Gründer haben anstecken lassen.

„Bei uns finden zwei Spielarten zueinander: Auf der einen Seite produziert die Schauspiel-Sparte professionelle Inszenierungen, auf der anderen Seite bietet die Werkstatt-Sparte Workshops und partizipative Projekte“, führt Tim Lechthaler aus.

Das Konstrukt vereint drei Säulen. Im zeitgenössischen Theaterbetrieb „querschlag“ sind Stücke zu sehen, die bewegen und aktuelle Fragen behandeln. Milan Pešl spricht von „Themen, die uns auf der Seele brennen. Wir möchten unmittelbar das aufgreifen, was uns beschäftigt, und uns dabei frei in der künstlerischen Ausführung fühlen. Inhaltlich und ästhetisch.“ Darüber hinaus gibt es einen professionellen Workshop- und Projektbetrieb für Amateure, die ebenfalls die Bühne nutzen. Die Möglichkeit, in Theaterstücken mitzuwirken, ist dabei das besondere Charakteristikum. Durch eine Arbeit im Tandem mit Stücken aus der Schauspiel-Sparte werden beide Angebote übergreifend vernetzt.

Im Jahr 2018 gründeten die drei jungen Unternehmer das Theater in den Räumlichkeiten des ehemaligen Kaufhauses an der Siegbergstraße 1. Sie haben bewusst einen Ort im Zentrum der Stadt gewählt. Im Konzept erklären die Gründer, dass die Bühne nicht nur für sie selbst wichtig sei, sondern auch für die Region. „Unsere Ambition für Schauspiel und Medien hat uns in die weite Welt gelockt – Hamburg, Berlin, Asien und weiter. Stationen, an denen wir nicht nur von der Pike auf gelernt haben, welchen Wert die Bühne für uns hat, sondern auch wie wichtig sie für die Identität einer Region sein kann.“

Ihre „Bühne für jedermann“ hat mehrere Bedeutungsebenen. Zum einen gilt dies für das klassische Theaterpublikum. Es steht „der Austausch mit dem Publikum ganz im Zentrum unseres Hauses. Dieser Austausch ist kein Beiwerk, sondern zentraler Dreh- und Angelpunkt unserer Arbeit.“ Milan Pešl betont die zentrale Frage nach der Wirkung des Theaters auf die Menschen. „Theater darf alles, nur nicht belanglos sein. Aus unserer Sicht ist eine feste Verwurzelung in der Stadt und mit den Menschen enorm wichtig.“ Amateure, die auf der Bühne ihr Talent ausprobieren, können sich unter fachkundiger Anleitung entfalten und über ihre Grenzen hinauswachsen. Dazu gibt es zum einen die Theaterwerkstatt „tollMut“ und darüber hinaus weitere Workshops, die auch für Unternehmen interessant sind. Zum Repertoire zählen klassische Theaterthemen wie Stimm- und Sprechtraining, aber auch Präsentation, Körpersprache und Selbstwahrnehmung. „Damit bieten wir Firmen die Möglichkeit, ihre Mitarbeiter in absolut zentralen Bereichen zu schulen, da diese Fähigkeiten für die heutige Betriebskultur immer wichtiger werden.“ Um dieses Angebot in Anspruch zu nehmen, können sich Einzelpersonen genauso wie Unternehmen direkt an das Bruchwerk Theater wenden.

Das Team möchte alle Menschen erreichen, erklärt Tim Lechthaler: „Generell halten wir einen kulturellen Begegnungsraum für jede Altersgruppe bereit.“ Gemeinsam mit der bestehenden Szene in Siegen möchte das Bruchwerk Theater dazu beitragen, dass die einzelnen Teile zusammenwachsen und sich gegenseitig ergänzen. „Unser Anspruch ist, die Beteiligten, die Zuschauer, die Mitarbeiter und uns selbst stets mit neuen Herausforderungen zu konfrontieren. Wir wollen etablierte Theaterformen hinterfragen, Bühnenexperimente wagen und eine originäre Siegener Theatersprache erarbeiten.“ Es gehe um eine Weiterentwicklung des Vorhandenen, eine Bereicherung für die Stadt, ihre Kulturlandschaft und ihre Identität.

Die drei Gründer ergänzen sich hervorragend. Sie haben ihre Aufgaben klar voneinander abgegrenzt, arbeiten dabei aber eng zusammen. Milan Pešl ist künstlerischer Leiter für den Bereich Schauspiel. David Penndorf übernimmt diese Funktion für die Werkstatt und hat das „tollMut“-Programm entwickelt. Tim Lechthaler stellt als Geschäftsführer sicher, dass keine administrativen Hürden entstehen. Er ermöglicht durch seine Arbeit einen maximalen Freiraum für alle Bereiche. „Wir möchten Bürokratie minimieren, um direkter und schneller arbeiten zu können“, erklärt Milan Pešl. Dies wiederum ermögliche es den Künstlern, freier zu experimentieren und unmittelbarer auf gesellschaftliche Dinge einzugehen. Pešl hat fast 20 Jahre lang an größeren und mittleren Theatern gewirkt und dabei mitunter erlebt, wie sehr ein zäher Betrieb Kunst behindern kann. „Dem möchten wir mit kleinen Teams, in dem jeder Gehör findet, begegnen. So rücken wir das eigentliche Theatermachen in den Vordergrund.“

Auch als Arbeitsplatz ist das Theater ein spezieller Ort. Ulrike Marski, die für drei Monate als Gast-Regieassistentin/-Dramaturgin beim Bruchwerk Theater ist, kennt etablierte Theaterhäuser und freie Gruppen ohne festen Spielort. Deshalb beobachtet sie mit großem Interesse, wie das Konzept in Siegen funktioniert. „In einem so jungen Theater sind Strukturen und Arbeitsverteilung noch nicht verfestigt. Vieles ist in Bewegung. Dadurch entsteht Raum für eigene Ideen und Initiativen.“ Aber auch die gegenseitige Abhängigkeit sei natürlich groß, ordnet Marski ein: „Alle unterstützen sich gegenseitig nach Kräften. In einem Theaterbetrieb muss man sich sehr intensiv zuarbeiten und sich aufeinander verlassen können. Im Bruchwerk Theater findet man eine sehr flache Hierarchie vor. Das tut der Atmosphäre sehr gut.“ Durch die Projektarbeit und die festen Termine ist der Anspruch hoch. „Wer länger in diesem Bereich arbeiten will, muss seine Aufgabe einfach lieben. Anders geht es nicht. Und für eine Inszenierung, die allen am Herzen liegt, mobilisieren die Beteiligten ihre letzten Reserven. Erholen kann man sich ja dann nach der Premiere.“

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