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Hans Ranke: Zwei Studenten und eine große Vision

Text: Katja Sponholz, Fotos: Christian Wickler

Wer den Begriff „Hülsenfrüchte“ hört, denkt vor allem an Erbsen und Bohnen. Und ganz sicher auch an die gute Erbsensuppe, die es früher an Samstagen zuhause gab. Bei Torsten Schuh war das nicht anders. „Ich habe sie immer gerne gegessen, aber nie selbst zubereitet“, blickt der 28-Jährige zurück. Dabei weiß er, seitdem er sich als Sportler intensiv mit dem Thema Ernährung auseinandersetzt, wie gesund Hülsenfrüchte tatsächlich sind: „Sie haben zum Beispiel einen sehr hohen Proteingehalt und helfen somit sehr gut bei der Regeneration und beim Muskelaufbau.“

Dass Menschen, die auf eine gesunde Lebensweise und Nachhaltigkeit Wert legen, es künftig leichter haben, eine große Auswahl an Lebensmitteln mit diesen gesunden Samen zu finden, könnten sie bald Torsten Schuh und seinem guten Freund Simon Riesinger verdanken: Die beiden Studienkollegen von der Universität Siegen (Masterstudiengang „Entrepreneurship and SME Management“) wollen ab diesem Frühjahr Produkte aus Hülsenfrüchten auf den Markt bringen. Zu den ersten Angeboten zählen dann Nudeln, Couscous, Reis und eine eigene Bratlings-Mischung, die allesamt ausschließlich aus Linsen, Kichererbsen oder Bohnen hergestellt wurden. Die Lebensmittel werden im Auftrag der beiden Siegener von größeren Herstellerfirmen produziert. Die Ideen, welche Hülsenfrüchte und Gewürze dann wie zu kombinieren sind und für welche Rezepte sie sich eignen, stammen von den Jungunternehmern. Seit Monaten haben sie selbst immer wieder ausprobiert und getestet. Ihre Erfahrungen und besten Tipps fließen zudem noch in ein  spezielles Kochbuch ein. „Wir haben eine Auswahl von 40 eigenen Rezepten“, berichtet Schuh. Den Anlass dafür hatte ein ungenießbares Käse-Schinken-Nudeln-Gericht gegeben. „Ich habe festgestellt, dass es fürchterlich schmeckt, wenn man Kichererbsen-Nudeln statt der normalen verwendet“, blickt der 28-Jährige zurück. So wurden sein Freund und er selbst aktiv in der Küche. Sie ließen ihrer Kreativität freien Lauf.

Das gilt im Übrigen auch für die Namensgebung ihres Start-up-Unternehmens, das nun „Hans Ranke“ heißt. „Wir haben lange überlegt, welcher Name passend wäre, der auch einen Bezug zu jenen Lebensmitteln hat, aus denen wir unsere Produkte herstellen möchten“, schildert Torsten Schuh. Fündig wurden sie schließlich in der Märchenwelt: konkret in der englischen Erzählung „Hans und die Bohnenranke“ und dem Jungen, der eine Kuh gegen fünf magische Bohnen eintauscht und schließlich in der Welt eines gefährlichen Riesen landet.

Weil in dem Märchen eben auch Bohnen im Fokus stehen, wollten die Existenzgründer die Namens-Anlehnung für ihr eigenes Storytelling verwenden. „Wir sind jetzt erst einmal der kleine Hans“, sagt Schuh lachend. Doch dabei soll es nicht bleiben: Denn die Siegener, die bald ihren Master abschließen wollen, haben Großes vor. Schuh muss jedenfalls nicht lange überlegen, wo er das Unternehmen in Zukunft sieht. „In zehn Jahren möchten wir die führende Lebensmittelmarke rund um Hülsenfrüchte auf dem deutschen bzw. deutschsprachigen Markt sein.“ Die Angebotspalette solle bis dahin noch breiter sein. Mit einem sehr starken Fokus auf Gesundheit und Umweltschutz solle es gelingen, sich in mehreren europäischen Ländern zu etablieren.

Vorher gilt es jedoch, noch einige Grundvoraussetzungen zu schaffen, etwa die Finanzierung. „Wir haben das Glück, dass ein ehemaliger Finanzberater unsere Idee sehr gut findet, uns unterstützt und einen Blick auf unsere Finanzplanung  hat“, berichtet Schuh. Für die Gründung einer GmbH bringen die Studenten das erforderliche Eigenkapital mit. Zudem bestehen Infrastrukturen zur Finanzierung neugegründeter Betriebe im Siegerland, beispielsweise durch den Sigerlandfonds.

„Unser Vorteil ist, dass wir den wirtschaftlichen Hintergrund aus unserem Studium haben“, unterstreicht Riesinger. Denn dort liegt ihr Schwerpunkt auf  Unternehmensgründungen sowie dem Management kleiner und mittlerer Betriebe. Mit ihrer Geschäftsidee kommen die beiden jungen Männer genau zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt. Denn die Nachfrage nach Hülsenfrüchten ist in Europa deutlich gestiegen, wie das Forschungsprojekt TRUE (TRansition paths to sUstainable legume-based systems in Europe) herausgefunden hat. Nicht zuletzt auch deshalb, weil diese Lebensmittel vor allem als Fleischersatz gefragt sind. Auch bei „Hans Ranke“ liegen darin die Ursprünge: Simon Riesinger begann, sich mit der besonderen Bedeutung von Hülsenfrüchten zu beschäftigen, als er im Sommer 2018 anfing, sich vegetarisch zu ernähren.

Auch bei Torsten Schuh, der seinen Fleischkonsum zwar reduziert, aber nicht eingestellt hat, gehören Hülsenfrüchte zum festen Ernährungsprogramm. „Sie haben nicht nur Nährwertvorteile in Bezug auf ihren hohen Proteingehalt“, betont er. Durch ihre langkettigen Kohlenhydrate in Kombination mit vielen Ballaststoffen sättigten sie zudem deutlich länger als andere Produkte. Dadurch esse man danach weniger. „Zugleich steigt der Zuckerspiegel nur langsam an. Das heißt, man fühlt sich die ganze Zeit fit und fällt nicht durch einen plötzlichen Abfall in ein Loch wie bei einem schnellen Blutzuckeranstieg.“ Außerdem sind getrocknete Linsen, Bohnen, Erbsen und Kichererbsen fettarm. Sie haben eine geringe Energiedichte, liefern also bezogen auf die Menge nur wenige Kalorien. Und noch ein Aspekt macht die Hülsenfrüchte zu einem besonders wertvollen Lebensmittel: Denn auch in Sachen Nachhaltigkeit haben sie einiges zu bieten. Während des Wachstums binden die Pflanzen den benötigten Stickstoff aus der Luft. Folglich muss weniger gedüngt werden. Zudem erhöhen sie die Bodenfruchtbarkeit.

Auch bei der Herstellung der neuen Produkte wollen die beiden Existenzgründer einen besonderen Wert auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz legen. Etwa, was die Verpackung angeht. Sie soll nach Möglichkeit komplett auf Kunststoff verzichten bzw. einen nur so geringen Anteil an Barriereschicht enthalten, dass sie im Altpapier entsorgbar ist. „Wer sich bewusst ernährt, achtet nicht nur auf die Lebensmittel, die er zu sich nimmt, sondern auch darauf, welche Auswirkungen das Ganze auf sich selbst und die Umwelt hat. Vor allem die junge Generation reflektiert in diesem Zusammenhang mehr und mehr“, ordnet Schuh ein. Dass Lebensmittel schmecken müssen, sei natürlich selbstverständlich. Jedoch stehe inzwischen beim Endkunden erstmals seit Jahren der Faktor „Gesundheit“ knapp vor dem Faktor „Geschmack“, wenn es um die Kaufentscheidung gehe.   

Die Gründer planen, den Handel zunächst über einen eigenen Online-Shop, über Influencer und den Online-Dienst Instagram anzukurbeln, bevor sie ihr Geschäft auch im Einzelhandel und schließlich in verschiedenen Supermarkt-Ketten fortführen wollen. „Wir legen unseren Fokus auf Storytelling, Kundenkommunikation und Ideenfindung“, erläutert Schuh. Als kleines Start-up habe man die Möglichkeit, bei der Suche nach dem passenden Partner noch mehr Wert auf Qualität und Umweltschutz zu legen. Die ersten Verhandlungen mit Herstellern seien sehr erfolgversprechend verlaufen.

Angst vor den Großen hat Schuh jedenfalls nicht – im Gegenteil. Nachdem ein führender Produzent bereits eine Produktidee, die auch die Siegener hatten, schneller umgesetzt und auf den Markt gebracht habe, seien die beiden jungen Männer bei ihren Erfindungen jedoch etwas vorsichtiger geworden. Nicht alle Ideen wollen sie verraten, nur so viel: Nach den ersten vier Produkten, mit denen sie starten, soll das Sortiment immer weiter wachsen – von Energieriegeln aus Hülsenfrüchten über Reisprodukte und verschiedene Brotaufstriche bis zu Keksen und Brotteigmischungen.

Dass sie mit ihrem Vorhaben auf eine große „Versorgungslücke“ stoßen, merken sie nicht zuletzt an den positiven Reaktionen der eigenen Freunde und Bekannten. Ob die Idee vom Geschäft mit Hülsenfrüchten tatsächlich zum großen Erfolg führt, wird die Zukunft zeigen. Das Märchen vom kleinen Hans geht jedenfalls gut aus: Denn zum Schluss stürzt der Riese von der Pflanze, die der Junge bei seiner Flucht gefällt hat, und bricht sich das Genick. Hans jedoch lebt reich und glücklich bis an sein Lebensende.  

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