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Tourismus in der Corona-Zeit - Blick geht nach vorn

Text: Patrick Kohlberger, Fotos: Carsten Schmale

Leere Hotels, verwaiste Campinganlagen und lange Gesichter allenthalben – der Tourismus zählt zu den Branchen, die über viele Monate besonders hart unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie gelitten haben. Drei Beispiele aus dem Kammerbezirk verdeutlichen die Tragweite der Probleme und zeigen zugleich auf, wie der Neuanfang gelingen kann.

„Es war wohl der längste November der Geschichte“, betont Andreas Benkendorf, Inhaber des Hotel-Restaurants „Alte Schule“ in Bad Berleburg. Mehr als ein halbes Jahr lang durfte sein Betrieb ab dem vergangenen Herbst keine Urlauber begrüßen – eine schwierige Zeit für den Unternehmer, der die Geschäfte gemeinsam mit seiner Frau Silvia Köster-Benkendorf führt. Zuvor war es den beiden gelungen, durch einen weitgehend „normalen“ Sommer zumindest einen kleinen Teil des im Zuge des ersten Lockdowns erlittenen monetären Schadens zu kompensieren. „Das Ständige Auf und Ab hat bei uns natürlich für die eine oder andere schlaflose Nacht gesorgt“, blickt der gebürtige Sauerländer zurück. 

Im Jahr 2008 hat sich das Ehepaar den Traum von der Selbstständigkeit erfüllt und die am Goetheplatz gelegene Jugendherberge in ein Hotel umgebaut. Hier fanden die beiden sehr gute Bedingungen vor, um ihre Ideen zu verwirklichen. Die ländliche Umgebung sahen sie dabei stets eher als Vor- denn als Nachteil. „Natürlich“, räumt Andreas Benkendorf ein, „kann man in urbaneren Regionen etwas leichter Aufmerksamkeit generieren und sich präsentieren, aber gerade hier in Wittgenstein können wir mit eigenen Stärken aufwarten – mit idyllischer Natur, großem Zusammenhalt, kurzen Wegen und Verlässlichkeit.“

Verlässlicher Begleiter in der Corona-Zeit ist hingegen vor allem die fehlende Planbarkeit. Eines aber stellt der Inhaber, ausgebildeter Kaufmann und vor seiner Hotellerie-Laufbahn erfolgreicher Freizeitparkmanager, auch klar: Aufgrund der staatlichen Förderinstrumente und der Möglichkeit der Kurzarbeit hatte das Hotel keinen personellen Aderlass zu verkraften. „Trotz aller Kritik, die an manchen Stellen laut wird, bin ich überaus froh über die Unterstützung, die wir hier in Deutschland erfahren“, stellt er der Politik ein insgesamt positives Zwischenzeugnis aus. Allerdings mit einer Einschränkung: „Ob es wirklich notwendig war, die Gastronomie und die Hotellerie monatelang zum Schließen zu zwingen, obwohl sich alle Akteure so akribisch um Hygienekonzepte bemüht und diese auch umgesetzt haben, ist sicher zu bezweifeln.“

Die Corona-Pandemie, unterstreicht das Inhaberehepaar, habe noch einmal sehr deutlich zum Vorschein gebracht, wie schnell Konzepte, die man über Jahre erarbeitet habe, auf den Prüfstand gestellt werden müssten. Der Tourismus werde sich in Zukunft verändern, ist sich Andreas Benkendorf sicher – „und zwar auch nach Corona. Das lässt sich nicht aufhalten. Es kommt nun darauf an, wie man als Hotelier damit umgeht.“ Im Winter habe sich das Team der „Alten Schule“ daher intensiv darüber beraten, wie es weitergehe – unter anderem gemeinsam mit einer Innenarchitektin.

Das vorrangige Ziel sei, auf Dauer attraktiv für Urlauber und Businessgäste zu bleiben. „Wir müssen es schaffen, in den kommenden zehn Jahren ein Konzept zu realisieren, das es uns ermöglicht, mit tendenziell immer weniger Personal wettbewerbsfähig zu bleiben und den Anschluss zu halten.“ Das Restaurant solle auf lange Sicht einen Charakter einnehmen, der an eine gemütliche Lounge erinnere. Bei den Hotelzimmern gelte der Anspruch, Wohnungsambiente zu erzeugen. „Lampe, Schreibtisch und Bett reichen so heute einfach nicht mehr aus. Die Menschen sollen spüren, dass sie sich hier wie zuhause fühlen können. Wir wollen nicht nur Funktionalität, sondern auch Design verkörpern.“

Im Herbst soll darüber hinaus ein moderner Private Spa entstehen. Wichtig zudem: Die Verantwortlichen wollen das Haupthaus, die alte Schule, mit dem Gästehaus, dem alten Museum, verbinden. Schon jetzt sind die Inhaber sehr glücklich über den neuen Anstrich, den der gesamte Goetheplatz im Zuge des dortigen Umbaus erfahren hat. „Ein Teil dieser wirklich schönen Flaniermeile zu sein, macht uns stolz.“

Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt in den Überlegungen der „Alten Schule“ eine wesentliche Rolle. „Daran kommt heute kein Hotel mehr vorbei“, weiß Andreas Benkendorf. Sein Betrieb sei diesbezüglich bereits jetzt gut aufgestellt, unter anderem aufgrund der sehr stark auf Regionalität ausgerichteten Küche. Längst pflege man fruchtbare Kooperationen mit lokalen Akteuren – vom Schlachthof bis zum Gemüsehändler. Auch E-Mobilität und die damit verbundene Frage nach Ladesäulen seien ein wichtiger Eckpfeiler der Strategie für die kommenden Jahre. Zudem beschäftigt sich das Team intensiv mit Begrünung und Photovoltaiktechnik.

Dass die grundlegende strategische Ausrichtung eines touristischen Betriebes darüber entscheiden kann, wie sehr die Corona-Folgen das Geschehen beeinflussen, zeigt das Beispiel der „Pfeffermühle“ in Siegen. Deren Konzept basiert auf fünf Standbeinen: Hotel, Restaurant, Tagungen, Catering und Bankettveranstaltungen. „Genau diese Flexibilität hat uns während des bisherigen Verlaufs der Pandemie sehr geholfen“, erklärt Jannik Rosenkranz, der in seiner Funktion als Mitinhaber der Führungsriege des Familienbetriebs angehört.

Ein nennenswerter Vorteil: Bis zu 90 % der Besucher sind Businesskunden. Sie konnten zu jeder Zeit in der Pfeffermühle übernachten und dabei eine für Pandemiezeiten mehr als beachtliche Servicequalität erfahren. Nachdem es in der Frühphase der COVID-19-Krise morgens „nur“ Lunch-Pakete gab, gingen die Verantwortlichen später dazu über, die Möglichkeit des Buffets unter Einhaltung strenger Hygienevorgaben wieder zu etablieren und auch abends warme Mahlzeiten anzubieten.

„Das war für uns aus dem eigenen Anspruch heraus wichtig, und wir haben damit ein Zeichen nach außen gesetzt. Wirtschaftlich rentieren konnte sich das Ganze aber natürlich zunächst nicht“, bemerkt Jannik Rosenkranz. Schließlich habe sich die Anzahl der Businessgäste in den ersten Monaten nach Beginn der Pandemie auf einem sehr niedrigen Niveau bewegt, da die Unternehmen zurückhaltend agiert hätten. „Mal war gar kein Zimmer belegt, mal vier oder fünf. Aber wir wollten jedem die gebührende Aufmerksamkeit schenken. Das zeichnet uns aus. Und am Ende hat sich dieses Vorgehen auch ausgezahlt.“

Die Zeit, bevor sich das Hotel wieder füllte, nutzte das Team für zahlreiche größere und kleinere Projektarbeiten. Die Geschäftsführung schaffte es dank des Instrumentes der Kurzarbeit, alle Mitarbeiter zu halten. Jannik Rosenkranz und seine Familie wiederum packten im Hotel kräftig an, um alle Zimmer zu restaurieren und modernisieren. Auch der Boden und die Decke im Speisesaal bekamen einen neuen Anstrich. „Dazu kommt natürlich, dass die Bäume auch während der Pandemie ihre Blätter verlieren und es rund ums Haus ohnehin immer viel zu tun gibt“, stellt der 28-Jährige klar. „Unser Ziel war, den Gästen nach ihrer Rückkehr einen echten Mehrwert zu bieten.“

Stets nach vorne zu schauen und sich immer wieder neu zu erfinden, sei ein Eckpfeiler in der Philosophie der Pfeffermühle. Als Beispiel nennt der Mitinhaber den zunehmenden Fokus auf das Thema Regionalität – unter anderem mit Bezug auf die Tatsache, dass in vielen der Hotelzimmer inzwischen ansprechende Zeichnungen und Bilder der Stadt Siegen die Wände zieren. Darüber hinaus hat das Team intensiv am Portfolio der hausgemachten Lebensmittel getüftelt – von verschiedenen Fruchtaufstrichen über Saucen bis hin zu Nudeln. Seit diesem Monat sind die Artikel über einen Onlineshop zu kaufen.

Mit 36 rundum geschulten Mitarbeitern ist das Hotel für die kommenden Jahre bestens aufgestellt. Für das Team werde es auf Dauer immer wichtiger, sich flexibel den Entwicklungen auf dem Markt anzupassen, prognostiziert Jannik Rosenkranz: „Die Situation in der Hotellerie wird sich auf jeden Fall auch nach dem Ende der Corona-Pandemie nicht genau so darstellen, wie wir sie von früher kennen. Es wird vermutlich weniger Meetings und Tagungen in Präsenz geben. Für uns bedeutet dies, dass auf lange Sicht tendenziell etwas weniger Businesskunden bei uns übernachten.“ Auch im Bereich der Privatfeiern sei mit einer Veränderung zu rechnen. Anstatt großer Events gehe der Trend in Richtung kleinerer Gruppentreffen und Partys im engen Kreis. „Auf all das sind wir aber vorbereitet.“

Sehr deutliche Kritik übt Rosenkranz indes an der Umsetzung des politischen Unterstützungsangebotes für den Tourismus: „Die erste Corona-Hilfe haben wir noch sehr zügig nach Antragstellung bekommen. Bei der Überbrückungshilfe 3 sah es leider erheblich schlechter aus.“ Erst Mitte Juli – drei Monate nach Antragstellung – sei das Geld eingegangen. „Uns fehlte damit lange Zeit ein sechsstelliger Betrag. Handlungsfähig waren wir nur durch eine entsprechende Vorfinanzierung. Sonst wären die Lichter jetzt aus. Wir mussten ja schließlich unsere laufenden Kosten decken, die Mitarbeiter bezahlen etc.“ Fragen zu den Corona-Hilfen könne er nur online stellen, beklagt Rosenkranz. „Und dort kommt dann keine Reaktion. Einen persönlichen Ansprechpartner mit einer Telefonnummer gibt es nicht. Das ist schon sehr ernüchternd.“

Eine differenzierte Betrachtung der Corona-Folgen für den eigenen Betrieb nimmt auch das Team der Campinganlage Gut Kalberschnacke in Drolshagen vor. „Schon in den Tagen und Wochen vor dem ersten Lockdown hatte sich abgezeichnet, dass die Lage ernst ist. Aber natürlich hat damals keiner von uns geahnt, wie drastisch die Folgen letztlich ausfallen“, verdeutlicht Yvonne Hagendorff, die für das Marketing verantwortlich zeichnet.

Anfang März 2020 habe noch der Besuch einer großen Touristik-Messe auf der Agenda gestanden – allerdings bereits mit einer sehr überschaubaren Besucherresonanz. Danach sei es Schlag auf Schlag gegangen. Die immer wieder modifizierten Coronaschutzverordnungen hätten dem Betrieb und der gesamten Branche merklich zugesetzt: „Camping ist ja an sich eine sicherere Form des Tourismus. Man kann problemlos unter sich bleiben und Abstände zu den anderen Besuchern der Anlage einhalten“, ordnet Hagendorff ein. Dennoch musste der Betrieb im vergangenen Jahr zeitweise komplett schließen.

Es folgte ein wahres Wechselbad der Gefühle. Die Jahres- und Saisonbesucher waren bald wieder vor Ort, während die Touristikgäste das Gelände erst nach mehreren Wochen wieder betreten durften. Der Sommer 2020 lief dann den Umständen entsprechend gut – vor allem dank des ausgefeilten Hygienekonzeptes, auf dessen Einhaltung das Kalberschnacke-Team vom ersten Tag an großen Wert legte. Die Sanitäranlagen waren in dieser Zeit zwar grundsätzlich geöffnet, doch die Mitarbeiter empfahlen allen Urlaubern, nach Möglichkeit nur die Nasszelle des eigenen Wohnwagens zu benutzen, um unnötige Begegnungen zu vermeiden.

Nach den Herbstferien sah sich die Campinganlage wieder mit stärkeren Restriktionen konfrontiert. Die 150 Touristikplätze mussten geschlossen werden, sodass in den Folgemonaten nur noch die 350 Jahres- und Winterplätze zur Nutzung bereitstanden – ein finanzieller Schaden, der sich auch durch politische Hilfsangebote nicht gänzlich kompensieren ließ. „Dennoch“, unterstreicht Yvonne Hagendorff, „sind wir natürlich froh, dass wir zwei Standbeine haben und wirtschaftlich nicht zu Boden gegangen sind.“

Mit Unverständnis reagiert sie auf so manche Details aus der aktuellen Coronaschutzverordnung des Landes NRW. Diese besagt beispielsweise, dass die touristischen Besucher das Areal angesichts der derzeitigen pandemischen Situation nur mit einem negativen Testresultat, einem Impfnachweis oder einem Genesenen-Zertifikat betreten dürfen. „An sich ist das ja vernünftig, aber für Jahres- und Saisonbesucher gilt diese Regelung gemäß der Verordnung ausdrücklich nicht, obwohl diese ja auch von außerhalb anreisen. So eine Ungleichbehandlung kann man nur schwer nachvollziehen.“

Sofern jedoch im Herkunftsort des Gastes die „Stufe 0“ gelte und der Inzidenzwert dort tagesaktuell stabil unter 10 liege, sei eine Einreise ohne Negativnachweis möglich. Das wiederum führe mitunter zu einem wahren Chaos: „Die Menschen wollen zum Entspannen hierherkommen und sind verständlicherweise auch nicht zu jeder Zeit zu 100 % darüber informiert, wie hoch der Wert in ihrer Heimat gerade an diesem Tag ist. So entstehen Unsicherheiten und natürlich ein gewisser Mehraufwand, da wir umso mehr prüfen und kommunizieren müssen.“

Letztlich müsse man sich von Woche zu Woche an den immer wieder veränderten Regularien „entlanghangeln“, um auf dem neuesten Stand zu bleiben, Ordnungswidrigkeiten zu verhindern und den Gästen ein Urlaubserlebnis zu verschaffen, das an „normale Zeiten“ erinnere. Die – auch in finanzieller Hinsicht – fehlende Planbarkeit sorge dafür, dass das Team der Campinganlage beispielsweise bestimmte Investitionen in Neuanschaffungen oder Modernisierungen nur schwer kalkulieren könne. „Wir müssen permanent flexibel bleiben und wissen nie, wie schnell sich die Rahmenbedingungen wieder ändern. Das Gefühl von Sicherheit und Perspektive fehlt einfach.“ Die Politik setze Campingplätze zudem in vielerlei Hinsicht mit Hotels oder anderen touristischen Einrichtungen gleich und differenziere insgesamt zu wenig.

Yvonne Hagendorff und ihre Kolleginnen und Kollegen stellen indes aber auch fest, dass sowohl ihre treuen Stammgäste als auch viele Neulinge mit Freude und Begeisterung auf das Gelände kommen und hier eine schöne Zeit verbringen. „Dieses in allen Bereichen positive Feedback zu spüren, tut einfach gut und motiviert uns sehr.“ Die Möglichkeiten, die die Anlage Gut Kalberschnacke bietet, sind vielfältig. Auch Interessierte, die im Campingbereich noch nicht erfahren sind, können sich hier einen ganz eigenen Eindruck machen. Fünf Mietwohnwagen mit dem Charakter eines kleinen Ferienhauses stehen zum Austesten zur Verfügung.

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